„Antiziganismus ist in der Polizei ganz offenkundig ein unterschätztes Problem“, kommentiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion.
Darin ging es um eine diskriminierende Pressemitteilung der Bundespolizeidirektion München, die Ende August über die Zurückweisung einer Familie aus Bosnien-Herzegowina an der deutsch-österreichischen Grenze berichtet hatte. In der Mitteilung wurde erwähnt, der Familienvater sei bereits wegen Leistungserschleichung polizeibekannt. Weiter hieß es wörtlich: „Die abgelehnten Asylbewerber, die wohl der Minderheit der Sinti und Roma angehören, waren ohne ausreichende Dokumente unterwegs.“ Auf Nachfrage der Abgeordneten verteidigte die Bundespolizeidirektion zunächst die Nennung des angenommenen ethnischen Hintergrundes der Familie. Die Bundesregierung rudert nun zurück. Jelpke weiter:
„Die Bundesregierung erklärt nun, die Nennung der mutmaßlichen Zugehörigkeit der Familie zur Minderheit der Sinti sei ‚fehlerhaft und wäre entbehrlich gewesen‘. Das ist zweifellos ein richtiger Schritt.
Das Problem ist aber nicht mit ein paar zusätzlichen Sensibilisierungsmaßnahmen zu lösen. Die Tatsache, dass die Stabsstelle der Bundespolizei zunächst das Verhalten ihrer Kollegen verteidigte und erst vom Innenministerium zurückgepfiffen werden musste, sollte Alarmglocken auslösen.
Wie die Bundesregierung weiter ausführt, hat die Bundespolizei in den vergangenen Jahren beim Ausfüllen von Freitextfeldern in sieben Vorgängen die Bezeichnung ‚Sinti‘ bzw. ‚Roma‘ eingetragen, obwohl das nicht gerechtfertigt war. Die Bundesregierung führt dazu aus, dies seien ‚individuelle Fehler in der Sachbearbeitung, die sich nicht vollständig vermeiden lassen.‘ Das ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern eine eklatante Verharmlosung von Antiziganismus!
Ganz offensichtlich wird innerhalb der Bundespolizei ein rassistischer Ansatz verfolgt, der einen Zusammenhang von Fehlverhalten und Zugehörigkeit zur Minderheit der Sinti und Roma behauptet. Antiziganismus bzw. die mangelnde Sensibilisierung hierfür stellt bis in die oberen Etagen der Bundespolizei hinein Problem dar, das unverzüglich und ernsthaft angegangen werden muss.
Der Hinweis darauf, dass sich der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma im vergangenen Jahr bei einem Besuch an der Bundespolizeiakademie von der vermeintlichen ‚Wirksamkeit‘ der bundespolizeiinternen Fortbildung gegen Antiziganismus ‚überzeugen‘ konnte, ist ein Versuch, den Vorsitzenden zu instrumentalisieren, was bestenfalls Anlass zum Fremdschämen gibt.“
KA 19_13498 Antiziganismus in der Bundespolizeidirektion München