Frühjahrskonferenz der Innenminister: Verbot von Nazisymbol und Sorge vor Coronaleugnern
von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt vom 16.06.2021)
Die Innenminister von Bund und Ländern wollen auf ihrer an diesem Mittwoch beginnenden Konferenz einen Mustererlass beschließen, der das Zeigen der schwarz-weiß-roten Reichsflagge unter bestimmten Bedingungen verbietet. Man habe eine »Lösung gefunden für eine bundesweit einheitliche Handhabe«, kündigte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) an. Die Innenministerkonferenz (IMK) tagt bis Freitag im südbadischen Rust.
Neuer Straftatbestand
Anlass für das Verbot der Reichsflagge ist, so Strobl, ihr »Missbrauch« durch extreme Rechte. Die Flagge, die sowohl im Kaiserreich als auch in der Nazidiktatur offizielle Staatsflagge war, dient in der Naziszene mittlerweile quasi als Ersatz für die verbotenen Hakenkreuzfahnen. Sie wird auch von Reichsbürgern genutzt und kommt verstärkt bei Aufmärschen sogenannter Querdenker zum Einsatz. Der Erlass, dessen Wortlaut noch nicht bekannt ist, ermöglicht es der Polizei, die Flagge als Gefahr für die öffentliche Ordnung zu verbieten, wenn damit bewusst an Fahnenaufmärsche der NSDAP erinnert werden solle, beim Hissen ausländerfeindliche Lieder gesungen oder sie bei paramilitärisch anmutenden Versammlungen verwendet wird.
In diesem Zusammenhang warnte Strobl vor Versuchen von Reichsbürgern und anderen Neonazis, »die Demonstrationen gegen die Coronapolitik zu unterwandern« und deren Teilnehmer mit ihrem Gedankengut »zu infizieren«. Strobl befürchtet, derart Radikalisierte könnten auch Terroranschläge verüben. Dem solle dadurch begegnet werden, dass die Verfassungsschutzämter ihre Zusammenarbeit »bundesweit intensivieren und standardisieren«.
Auf der Tagesordnung der IMK steht auch ein Vorstoß zur präziseren Erfassung antisemitischer Straftaten. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wird von der Welt mit den Worten zitiert, Antisemitismus habe unterschiedliche Facetten – »rechtsextrem, linksextrem oder aus dem Ausland importiert«. Antisemitische Straftaten sollten künftig nicht mehr pauschal in die Kategorie »politisch motivierte Kriminalität – rechts« einsortiert werden. Dahinter steht die Behauptung, solche Straftaten würden häufig nicht von deutschen Faschisten, sondern von arabischstämmigen Einwanderern begangen. Strobl setzt sich darüber hinaus dafür ein, Demonstrationen vor jüdischen Einrichtungen und Synagogen leichter verbieten zu können. Auch die Erhöhung des Strafmaßes bei Volksverhetzung und Landfriedensbruch solle geprüft werden. Außerdem plädiert Strobl für einen neuen Straftatbestand der »verhetzenden Beleidigung«, um an Volksverhetzung erinnernde Beleidigungen auch dann bestrafen zu können, wenn sie nicht öffentlich, etwa in Form von E-Mails an jüdische Repräsentanten, erfolgen.
Bekenntnis zu Frontex
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) verlangt, dass die Nutzer sozialer Netzwerke sich dort künftig mit ihren echten Personalien registrieren müssten, damit unter Pseudonym erfolgte Straftaten besser verfolgt werden könnten. Eine solche Maßnahme würde allerdings beispielsweise oppositionelle türkische oder kurdische Aktivisten, die das Erdogan-Regime kritisieren, bei Reisen in die Türkei einer hohen Gefahr aussetzen. Pistorius will zudem ein Bekenntnis zur EU-Grenzbehörde Frontex, deren »Stärkung und Weiterentwicklung« er für überfällig hält. Zugleich müsse die parlamentarische Kontrolle der Agentur verstärkt werden.
Die Innenminister werden auch über den Umgang mit Abschiebungen nach Syrien diskutieren. Bei der vergangenen Sitzung im Dezember 2020 wurde der Abschiebestopp nach Syrien erstmals nicht mehr verlängert. Das Deutsche Institut für Menschenrechte erinnerte die Innenminister in einer Erklärung am Dienstag daran, dass es in Syrien keine sicheren Regionen gebe und im ganzen Land Verfolgung entweder durch das Regime oder seitens anderer Gruppierungen stattfinde. Eine Abstufung bei der Gefahrenprognose für bestimmte Personen, wie etwa sogenannte Gefährder oder Straftäter, verbiete sich durch die »absolute Geltung« des Völkerrechts. Amnesty International fordert von den Innenministern, auf weitere Abschiebungen nach Afghanistan zu verzichten.