Ermittlungen gegen EU-Agentur Frontex
Kommentar von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt vom 14.01.2021)
Die für die EU-Außengrenzen zuständige Agentur Frontex mit Sitz in Warschau soll von aktuell 1.500 Beamten bis zum Jahr 2027 auf 10.000 Grenzschützer ausgebaut werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die EU-Mitgliedstaaten seit Jahresbeginn verpflichtet, Polizisten für Frontex zu stellen. Bislang war die Beteiligung freiwillig. Die Einsatzkräfte sollen örtliche Grenzschützer bei ihrer Arbeit unterstützen. Dabei wird mit aller Härte vorgegangen. So beschuldigen Flüchtlingshilfsorganisationen etwa die griechische Küstenwache, in der Ägäis regelmäßig illegale Pushbacks vorzunehmen – also Boote mit Flüchtlingen wieder zurück ins Meer zu treiben, so dass diese nicht die Möglichkeit haben, Asyl zu beantragen.
Frontex-Angehörige sollen dieses rechtswidrige Vorgehen toleriert oder sich gar daran beteiligt haben. Auch ein deutsches Polizeiboot soll am 10. August 2020 in eine solche Zurückweisung durch griechische Grenzer verwickelt gewesen sein. Frontex-Direktor Fabrice Leggeri musste dazu am Mittwoch im Bundestagsinnenausschuss Stellung beziehen. Bereits zuvor hatte der Direktor erklärt, seine Agentur habe »keine Beweise dafür gefunden, dass es eine aktive, direkte oder indirekte Beteiligung von Frontex-Mitarbeitern an Pushback-Aktionen gegeben hat«. Die Agentur hat zwar eine Grundrechtsbeauftragte, doch eine unabhängige Kontrollinstanz gibt es nicht. Allerdings sollte bis Dezember letzten Jahres eine interne »Einheit für Grundrechte« als Korrektiv zu den erweiterten Kompetenzen der Agentur an den Außengrenzen aufgebaut werden. Von 40 dafür vorgesehenen Planstellen ist bislang keine besetzt. Leggeri und die EU-Kommission weisen sich gegenseitig die Schuld für die Verzögerung der Ausschreibung zu.
Leggeris rechte Hand, Thibauld de La Haye Jousselin, steht derweil laut FAZ im Verdacht, Agenturmitarbeiter, die die Behörde intern kontrollieren sollen, eingeschüchtert zu haben. Zuerst hatte das Onlineportal Politico unter Bezug auf einen anonymen EU-Beamten über »Vorwürfe von Belästigung, Fehlverhalten und Migranten-Pushbacks« berichtet. Deswegen seien im Dezember die Büros von Leggeri und de La Haye Jousselin von der EU-Behörde für Betrugsbekämpfung (OLAF) durchsucht worden. Sie hat mittlerweile ohne Nennung von Details die Einleitung einer Untersuchung bestätigt. Deutlich wird, dass eine interne und damit abhängige Grundrechteeinheit nur als Feigenblatt der Grenzschutzagentur fungieren kann. Das Problem mit Frontex ist viel grundsätzlicher. Denn die Agentur agiert ja nicht einfach nach Gutdünken ihres Direktors, sondern folgt ihrem von der EU erteilten Auftrag. Und der lautet: Abschottung der Festung Europa vor unerwünschten, weil für das Kapital nicht profitabel »verwertbaren«, Flüchtlingen und Migranten.