Vorbei sind die Zeiten, als die Grünen sich noch als Hüter der Menschenrechte aufspielen konnten. Mit dem jetzt gescheiterten Luftsicherheitsgesetz haben sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten massiv gegen die Grundrechte verstoßen.
Wie verroht das Menschenbild der früheren SPD-Grünen-Koalition ist, zeigte mehr noch als die Formulierungen des Gesetzes das Auftreten ihrer Vertreter vor dem Bundesverfassungsgericht. Daß unschuldige Menschen auf dem Altar der Luftsicherheit geopfert werden sollten, begründete sie ernsthaft damit, Passagiere an Bord entführter Flugzeuge seien »Teil einer Waffe«. Flugreisende müßten sich der Gefährdung bewußt sein, in die sich begäben, wenn sie am Flugverkehr teilnähmen, so die menschenverachtende Argumentation.
Wie sie zweifelsfrei feststellen will, was die Entführer eines Flugzeuges konkret vorhaben, konnte die Regierung niemals erklären. SPD und Grüne wollten im Zweifel gegen die Menschenwürde entscheiden und über Leichen gehen. Es entbehrt nicht einer gewissen Logik: Wer völkerrechtswidrige Kriegseinsätze in Jugoslawien und Afghanistan führt, will auch im Inland alles abschießen, was ihm verdächtig vorkommt.
Die Logik des Grundgesetzes ist aber eine andere, und die Karlsruher Richter haben ihr wieder zum Recht verholfen. Es könne, so heißt es im Urteil, »nicht angenommen werden, daß derjenige, der als Besatzungsmitglied oder Passagier ein Luftfahrzeug besteigt, mutmaßlich in dessen Abschuß und damit in die eigene Tötung einwilligt«. Und weiter: »Auch die Einschätzung, diejenigen, die sich als Unbeteiligte an Bord eines Luftfahrzeuges aufhalten, seien (im Falle der Entführung) ohnehin dem Tode geweiht«, sei nicht mit der Verfassung vereinbar.
Wer reist, will nicht umgebracht werden, auch nicht von der Bundesluftwaffe. Wo leben wir eigentlich, wenn solche Selbstverständlichkeiten vom höchsten Gericht der Republik betont werden müssen? Daß solche Klarstellungen notwendig sind, zeigt, wohin frühere Bundesregierungen das Land getrieben haben. Die Grünen spielen heute Opposition und tun so, als hätten sie nicht maßgeblich mit zu diesem Gesetz beigetragen.
Das Luftsicherheits-, Flugzeugabschußgesetz wäre passender, war nur die Spitze eines Eisberges. Das zeigen die anhaltenden Angriffe auf die Verfassung und die trotzige Ankündigung aus den Reihen von CDU/CSU, nun erst recht das Grundgesetz ändern zu wollen – es wäre ja gelacht, wenn die Menschenwürde das letzte Wort hätte. Wer jetzt noch, und zwar möglichst schnell, eine Grundgesetzänderung will, hat den wesentlichen Inhalt des Urteils nicht verstanden: Der Staat hat nicht das Recht, Zivilisten abzuschießen, die Menschenwürde ist nicht verhandelbar, Leben kann nicht gegen Leben abgewogen werden – unter keinen Umständen.
Die Autorin ist innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag