Zu einem für die Unionsparteien denkbar ungünstigen Zeitpunkt ist der Waffenlobbyist Karl-Heinz Schreiber am Montag aus Kanada an die Bundesrepublik ausgeliefert worden. Er muß sich nun wegen Steuerhinterziehung und Bestechung vor dem Landgericht Augsburg verantworten. Die politische Bedeutung dieses Strafverfahrens liegt darin, daß Schreiber, der lange Zeit CSU-Mitglied war und sich im Umfeld des damaligen Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß tummelte, als Schlüsselfigur in der CDU-Spendenaffäre gilt. Das Führen schwarzer Konten und die Entgegennahme von Millionenspenden ungeklärter Herkunft durch den früheren Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl in den 90er Jahren, erschütterte die Partei bis ins Mark. Die Affäre führte zum Rücktritt Kohls als CDU-Ehrenvorsitzender und zu einem für die Unionspartei unangenehmen Untersuchungsausschuß. Wolfgang Schäuble informierte den Bundestag unvollständig über eine Begegnung mit Schreiber, von dem er hunderttausend DM als Spende erhalten hatte. Schäuble mußte als CDU-Fraktionsvorsitzender zurücktreten, wurde aber später dennoch Bundesinnenminister. Andererseits brachte die Spendenaffäre indirekt Angela Merkel an die Spitze der Partei, als sie sich von Kohl distanzierte.
Die Union muß nun befürchten, daß ihre massiven Verstöße gegen das Parteiengesetz aus den 90er Jahren jetzt wieder zum Wahlkampfthema werden, zumal Schreiber früher schon damit gedroht hat, nun auch über Spenden an die CSU »auszupacken«. Schreiber hatte sich vor zehn Jahren nach Kanada abgesetzt und dort immer wieder erfolgreich Rechtsmittel gegen seine Auslieferung eingelegt. Daß er gerade jetzt nach Deutschland überstellt worden ist, führt er auf eine Intervention von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zurück, da die SPD wegen Schreibers früherer Aussagen schon mehrfach Wahlen gewonnen habe. Tatsächlich hat Zypries am Donnerstag in einem Fax an die kanadische Regierung Schreibers Auslieferung verlangt, jedoch war dies auch naheliegend, da zuvor dessen letzter Einspruch in Kanada verworfen worden war.
Somit wird das Landgericht Augsburg demnächst gegen Schreiber verhandeln. In Augsburg lief auch der Prozeß Max Strauß, dem ein Konto mit der Bezeichnung »Maxwell« zugeordnet worden war, auf das Schreiber Geld einbezahlt hatte, das möglicherweise als Provisionszahlung für die Familie Strauß gedacht war. Von diesem Vorwurf wurde Max Strauß am Ende jedoch freigesprochen. Es ist zu erwarten, daß Schreiber sich zu dem Thema äußern wird.
Geklärt ist, daß der ehemalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep von Schreiber auf einem Autobahnparkplatz in der Schweiz eine Million Mark in einem Geldkoffer erhielt. Dies war eine der Spenden, welche die CDU in ihren Büchern nicht auswies. Auch zwei Thyssen-Manager und der damalige Verteidigungsstaatssekretär Holger Pfahls wurden wegen Bestechungsdelikten verurteilt, weil sie von Schreiber Gelder entgegennahmen, um Rüstungsprojekte zu befördern. Über den Verbleib einer Schreiber-Spende von 100000 DM an Wolfgang Schäuble herrscht Unklarheit, weil Schäuble und die frühere CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister dazu unterschiedliche Angaben über die Verbuchung machten. Dagegen mußte der ehemalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) einräumen, daß die hessische CDU eine schwarze Kasse führte, wofür Kanther rechtskräftig verurteilt wurde. Besondere Empörung löst aus, daß die CDU als Herkunft der Gelder wahrheitswidrig »jüdische Vermächtnisse« nannte.
All dies wird jetzt wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte werden. Das ist für die CDU/CSU sicher unangenehm, ob dies aber der schwächelnden SPD im Wahlkampf wirklich helfen wird, darf bezweifelt werden. Die Linke forderte jedenfalls einen Prozeßbeginn in Augsburg noch vor der Bundestagswahl, da die Bürger ein Recht auf volle Information über die Taten des Waffenlobbyisten hätten.