Am heutigen Mittwoch erörtert das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) hinter verschlossenen Türen ein weiteres Mal die Geheimdienstskandale, die seit Dezember 2005 bekanntgeworden sind. Es geht dabei um den Einsatz von zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad während des völkerrechtswidrigen Irak-Kriegs und die Verhöre durch Mitarbeiter des BND, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes (BKA) in Foltergefängnissen in Syrien und auf Guantanamo. Auf der Tagesordnung stehen außerdem die Verschleppung des deutschen Staatsangehörigen Khaled al Masri nach Afghanistan durch die CIA, die Existenz illegaler Gefangenenlager der USA und rechtswidrige Gefangenentransportflüge der CIA in Europa.
300 Seiten Papier
Die Bundesregierung hat sich den Forderungen der Fraktion Die Linke und der FDP nach einem Untersuchungsausschuß widersetzt und die Beratungen erfolgreich in das PKGr abgedrängt, dessen Mitglieder zum Stillschweigen verpflichtet sind. Möglich war ihr das, weil sich die Grünen dem Antrag auf Einsetzung des Ausschusses nicht angeschlossen haben und der Antrag dadurch nicht das nötige Quorum erreichte.
Um neuen Rufen nach einem Untersuchungsausschuß entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung dem Kontrollgremium für die heutige Sitzung einen fast 300 Seiten starken, zunächst vertraulichen Bericht mit ihrer Sicht der Dinge vorgelegt. Teile davon sollen anschließend veröffentlicht werden. Was allerdings am Ende als geheim eingestuft bleibt und was veröffentlicht wird, entscheidet die Bundesregierung. Diese kann somit Tatsachen in dem Bericht nach eigenem Gutdünken darstellen. Den Mitgliedern des PKGr steht nach dem Gesetz nur die Befugnis zu, anschließend eine Bewertung dazu abzugeben.
Nach den bisherigen öffentlichen Äußerungen aus den Reihen von CDU/CSU und SPD läßt sich schon erkennen, wie ihre Kommentierung ausfallen wird. Im Zusammenhang mit dem Einsatz der BND-Beamten in Bagdad wird man kaum zugeben, daß es sich dabei um die Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Krieg handelte. Vielmehr werden CDU/CSU und SPD die Geheimdienstzusammenarbeit mit den USA als im »eigenen nationalen Interesse« liegend verteidigen. Weiter werden die Politiker der großen Koalition die Verwertung von Foltergeständnissen als »zur Gefahrenabwehr« notwendig einstufen und damit die skandalösen Befragungen in Syrien und auf Guantanamo rechtfertigen. Hinsichtlich der Verschleppung al Masris bestreitet die Bundesregierung vehement jede Beteiligung deutscher Behörden, obwohl al Masri nach einem Artikel der New York Times vom Dienstag einen BKA-Mitarbeiter mit 90prozentiger Sicherheit als den »Sam« identifiziert hat, der ihn in Afghanistan vernommen hatte.
Beschwichtigungstaktik
Bei soviel Beschwichtigungstaktik hängt es nun an den Grünen, ob sie sich endlich doch zu einem Untersuchungsausschuß durchringen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Petra Pau, warf der Bundesregierung am Dienstag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp vor, keinerlei Aufklärungswillen in der Affäre erkennen zu lassen. »Von dem Regierungsbericht erwarte ich eigentlich gar nichts mehr«, so Pau. Deshalb müsse weiter über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gesprochen werden.
Aus: junge welt vom 22. Februar 2006