Eben erst hatte Innenminister Ingo Wolf (FDP) den Entwurf eines neuen Polizeigesetzes vorgelegt. Wichtigste Neuerung ist der »finale Rettungsschuß« als letztes Mittel zur Abwehr einer akuten Verletzungs- oder Lebensgefahr – etwa im Falle einer Geiselnahme. Nach dem bislang geltenden Gesetzestext dürfen Schußwaffen »nur gegen Personen gebraucht werden, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen«.
Die CDU will Wolfs Entwurf zwar mittragen, doch geht er ihr nicht weit genug. In ihrem Positionspapier setzt sie auf eine Zweiklassenpolizei. Während die Kripo mit neuen Kompetenzen wie der Erlaubnis zu geheimen Onlinedurchsuchungen und dem Mitlesen von SMS ausgestattet wird, sollen Streifendienste und Objektbewachung künftig von einer angestellten Hilfspolizei übernommen werden.
Alle sind verdächtig – diese Maxime zieht sich wie ein roter Faden durch das Positionspapier der NRW-Union. Öffentliche Plätze sollen verstärkt von Kameras beobachtet, Autokennzeichen und damit Fahrbewegungen automatisch erfaßt und das Internet von »virtuellen Streifen« verdachtsunabhängig überwacht werden. Im Umfeld von Schulen will die CDU »regelmäßige Drogenkontrollen« durchführen. Jugendliche Testkäufer sollen als Lockspitzel an Kiosken und Läden den Verkauf von Alkohol unter Alterslimit auffliegen lassen. Sexualstraftäter sollen »nach der Haftentlassung gezielt von der Polizei beobachtet werden«.
Die FDP wolle nicht, »daß die Bürger unter Generalverdacht und verbriefte Persönlichkeitsrechte in Frage gestellt werden«, wies der Fraktionsvorsitzende der mitregierenden FDP, Gerhard Papke, die CDU-Forderungen zurück. Eine Hilfspolizei bedeute den Einstieg in die Privatisierung der Sicherheit wie in den USA, kritisiert SPD-Landeschefin Hannelore Kraft und fordert statt dessen eine bessere Ausstattung der Polizei. Auch die im DGB organisierte Gewerkschaft der Polizei sieht keinen »Sicherheitsgewinn« in einer »Billigpolizei«.
Brüche im bürgerlichen Lager tun sich nicht nur zwischen den Regierungsparteien CDU und FDP auf. Auch zwischen dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und Wolf kracht es inzwischen. Noch bei seinem Entwurf eines Polizeigesetzes hatte Wolf viele Forderungen des BDK und der ebenfalls konservativ orientierten Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) eingearbeitet. Bislang hatte sich Wolf auf die beiden bürgerlichen Berufsvertretungen gestützt, um den Einfluß der SPD-nahen GdP im Innenministerium zurückzudrängen. Doch nun macht der BDK öffentlich gegen Wolf mobil, weil der Innenminister den Großteil von 450 versprochenen neuen Polizeistellen an die Schutzpolizei vergeben will und die Kripo weitgehend leer ausgeht. Während der BDK über Düsseldorfs Regierungsviertel ein Flugzeug mit dem Banner »Minister Wolf läßt die Kripo sterben« kreisen läßt, sieht die GdP ihre Chance gekommen. Man werde verhindern, daß Wolf vom BDK abgesägt würde, heißt es aus dem Landesvorstand der Gewerkschaft, die vor allem unter der nun geförderten Schutzpolizei über Rückhalt verfügt.
erschien in junge Welt 19.11.2009