Ich habe selbst nie daran geglaubt, dass eine kleine bewaffnete Organisation isoliert und unkontrolliert von den Massen die Unabhängigkeit oder soziale und demokratische Fortschritte erkämpfen kann. Diese Macht hat nur eine breite, demokratische Massenbewegung.
Von daher begrüße ich die neue Orientierung der baskischen abertzalen Linken ausdrücklich, die für ein Ende des bewaffneten Konflikts eintritt und als ihre zentralen Säulen die Massenmobilisierung, die Arbeit innerhalb demokratischer Institutionen, den ideologischen Kampf und die Suche nach internationaler Unterstützung ausweist.
Über die Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts und darüber, ob Unabhängigkeit oder eine föderale oder autonome Form des Verbleibs im Spanischen und französischen Staat die beste Lösung für das Baskenland und seine Bewohner ist, können alleine die Baskinnen und Basken entscheiden.
Die abertzale Linke verfügte bislang zumindest auf Wahlebene – soweit sie überhaupt aufgrund der staatlichen Repression an Wahlen teilnehmen konnte – über keine Mehrheit unter den baskischen Wählerinnen und Wähler. Der demokratische Prozess wird der abertzalen Linken die Gelegenheit geben, ihre Kräfte zu sammeln und geduldige Überzeugungsarbeit gerade auch durch ihr Beispiel in der praktischen und an den sozialen Interessen der Menschen orientierten Arbeit vor Ort in den Kommunen, in Gewerkschaften und anderen demokratischen Organisationen zu leisten.
Ihr habt die Schwachstelle des Spanischen Staates richtig benannt: das Terrain der Politik. Der Spanische Staat fürchtet eine demokratisch legitimierte und in der Bevölkerung verankerte abertzale Linke weit mehr als den bewaffneten Widerstand. Das bedeutet aber auch, dass der Staat seine Repression gegen die baskische Linke fortsetzen und möglicherweise noch verschärfen wird. Die Verhaftung von 34 Jugendlichen unter „Terrorverdacht“ wegen angeblicher Fortführung der verbotenen Jugendorganisation Segi nur eine Woche nach Veröffentlichung der Gewaltverzichtserklärung der abertzalen Linken muss als gezielte Provokation des Spanischen Staates verstanden werden, den einseitig von der baskischen Linken eröffneten Friedensprozess zu sabotieren.
Ich bin aber zuversichtlich, dass die neue Strategie der abertzalen Linken im Spanischen Staat und europaweit zur weiteren Delegitimierung des spanischen Repressionsapparates beitragen wird. Zugleich wird es so möglich sein, mehr Menschen als bislang innerhalb und außerhalb des Baskenlandes solidarisch an die Seite der abertzalen Linken zu führen, um diese gegen die Repression in Schutz zu nehmen.
Mit solidarischen Grüßen,
Ulla Jelpke, MdB