Die NPD behauptete im Jahr 2009 ihre führende Stellung im rechten Lager – trotz finanzieller Probleme und interner Linienkämpfe. Der Versuch einer Gruppe von Funktionären um den sächsischen Landtagsfraktionschef Holger Apfel, den Parteivorsitzenden Udo Voigt auf dem Bundesparteitag im April mit der Gegenkandidatur des mecklenburgischen NPD-Fraktionschefs Udo Pastörs zu stürzen, scheiterte. Während Voigt für ein enges Bündnis mit den offen neonazistischen »Freien Kameradschaften« steht, propagieren die sächsischen NPD-Abgeordneten Apfel und Jürgen Gansel einen »sächsischen Weg«, um die Partei bundesweit auch für bürgerliche Kreise wählbar zu machen.
Zumindest in Sachsen scheint diese Politik aufzugehen. Mit 5,6 Prozent gegenüber 9,2 Prozent vor fünf Jahren erlitt die NPD im Freistaat zwar Verluste, doch erstmals in ihrer Geschichte gelang ihr der Wiedereinzug in einen Landtag in zwei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden. Damit stehen ihr staatliche Fördermittel in sechsstelliger Höhe für die Gründung einer parteinahen Stiftung zu. In Thüringen erreichte sie 4,3 Prozent, in Brandenburg 2,5 Prozent – sie konnte sich also nur in Sachsen landespolitisch etablieren. Bei der Bundestagswahl kam sie nur auf 1,5 Prozent. Ihre ausländerfeindliche und sozialdarwinistische Hetzpropaganda färbte aber auf Parteien der sogenannten Mitte ab (s. Sarrazin und Unterstützer). Diese Antwort von Rechts auf Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit kann in ihrer Gefährlichkeit nicht überschätzt werden.
Dazu tragen auch gezielte Provokationen bei. In der thüringischen Stadt Hildburghausen bedrohte die NPD im Wahlkampf den dunkelhäutigen CDU-Wahlhelfer Zeca Schall. Sie wollte ihn »animieren«, Thüringen zu verlassen, heißt es in einer Presseerklärung der Nazis. Die Polizei mußte vor seinem Haus Schutz aufstellen, um Angriffe von Neonazis zu verhindern, doch die NPD kam dadurch bundesweit in die Medien, woran ihr viel liegt. Kurz vor der Bundestagswahl setzte sie erneut auf eine solche Haß-PR-Aktion: Politiker mit Migrationshintergrund erhielten amtlich wirkende Briefe eines »Ausländerrückführungsbeauftragten«, der sie zur Ausreise aufforderte. Das zweiseitige Schreiben trägt den Titel »Bekanntmachung über die geordnete Durchführung der Heimreise von Personen mit Migrationshintergrund in ihre Herkunftsländer«.
In einer Videobotschaft übte Parteichef Voigt nach der Bundestagswahl Selbstkritik. »In Krisenzeiten hätte die NPD sicherlich mehr punkten können«, doch das Superwahljahr sei für sie nicht gut verlaufen, da sie auch aufgrund innerparteilicher Linienkämpfe »nicht optimal aufgestellt« gewesen sei. In große Schwierigkeiten kam die NPD im Oktober durch den plötzlichen Tod ihres stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen Rieger. Er gehörte zu den Hauptdarlehensgebern der Partei, der er auch Schulungszentren zur Verfügung stellte. Durch Riegers Tod wird sich die Finanzkrise der Partei wohl verschärfen. Doch dank der staatlichen Parteienfinanzierung wird die NPD noch jahrelang ihre Hetze betreiben können. Und besonders in ostdeutschen Kleinstädten verfügt sie mittlerweile über Netzwerke: Ihre Mitglieder finden sich ebenso bei der Freiwilligen Feuerwehr wie in den Elternbeiräten, und rechte Gesinnung und Mode dominieren oftmals die wenigen noch vorhandenen Jugendclubs und Discos. Wer als Linker oder Migrant nicht täglichen Bedrohungen ausgesetzt sein will, verläßt früher oder später diese »national befreiten Gebiete«.
Bergab ging es 2009 mit der Deutschen Volksunion (DVU). Dagegen gelang der aus der rassistischen Stadtratsfraktion Pro Köln hervorgegangenen landesweiten Partei Pro NRW bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen der Einzug in 13 Stadträte und Kreistage mit insgesamt 46 Mandaten. Diese Ausgangslage will sie 2010 zur Landtagswahl nutzen. Für das Frühjahr kündigte sie eine europaweite Konferenz zum Minarettverbot sowie einen Sternmarsch zu einer Duisburger Moschee an. Ermutigt sieht sich der Pro-NRW-Vorsitzende Markus Beisicht durch den Schweizer Volksentscheid gegen Minarette.
Nordrhein-Westfalen wurde in den letzten Jahren auch zu einer Hochburg der sogenannten Autonomen Nationalisten – gewalttätiger Neonazis, die sich in ihrem Auftreten und ihrer Symbolik bei linken Autonomen bedienen und eine »völkische« Kapitalismuskritik propagieren. Daß dieser Antikapitalismus von Rechts nur rassistische Demagogie ist, bewiesen die Autonomen Nationalisten am 1. Mai, als sie in Dortmund die Maikundgebung des DGB angriffen und mehrere Gewerkschafter verletzten. Mitten in der Stadt wollen sie eine »national befreite Zone« errichten: Im Stadtteil Dorstfeld versuchen sie mit Drohungen und Gewalt, Andersdenkende einzuschüchtern und zu vertreiben. So auch Familie Engelhardt. Barbara Engelhardt (47) ist in der Friedensbewegung aktiv. Sie entfernte Naziplakate und meldete der Polizei Hakenkreuzschmierereien. Ihr Sohn Yasa engagiert sich in der Antifa. Zuerst finden sich Naziaufkleber am Wohnhaus der Engelhardts, dann wird ein Hakenkreuz ans Auto geklebt, die Scheiben werden eingeschlagen, der Wagen mit Farbe beschmiert. Schließlich fliegt ein Stein durchs Küchenfenster. Im Stadtteil hängen Naziplakate mit dem Bild von Barbara und Yasa Engelhardt, die zur Menschenjagd animieren. Per E-Mail kommen Drohungen: »4-Zimmer-Wohnung zu mieten, wahlweise in Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen. Mit freundlichen Grüßen, Nationale Sozialisten aus der Umgebung«. Vertreter von Kirche, Stadt und Polizei zeigen sich auf einer Pressekonferenz betroffen. Doch helfen wollen oder können sie nicht. »Es gibt keinen Schutz«, heißt es beim Staatsschutz. Schließlich bleibt Familie Engelhardt nur die Flucht. Geschützt durch einen privaten Sicherheitsdienst verläßt sie Familie Ende November mitten in der Nacht die Wohnung, um an einen sichereren Ort zu ziehen. »Die Rechten feiern das als Erfolg, aber wir wollten nicht die Märtyrer einer Gesellschaft sein, die das Geschehene billigt«, kommentiert Barbara Engelhardts Lebensgefährte Joachim Striepens.
Die Bedrohung durch Faschisten ist weiterhin an vielen Orten Deutschlands allgegenwärtig. Mehr als 140 Tote in den letzten 20 Jahren sind eine deutliche Mahnung – aber offenbar nicht für die Bundesregierung oder auch den Berliner Innensenator Erhardt Körting, die sich einig sind: Der Feind steht links. Während die Springer-Presse angesichts der 300 von unbekannten, vermutlich meist nicht politisch motivierten Tätern angezündeten Autos in Berlin vom linken Terror schreibt, nennt Körting antifaschistische Linke »rotlackierte Faschisten«. Diese Gleichsetzung von Antifaschisten und Neonazis findet sich auch im Koalitionsvertrag von Union und FDP. Die Bundesregierung will die bislang für den Kampf gegen den Neofaschismus vorhandenen Mittel kürzen, um stattdessen Programme zur Bekämpfung des »Linksextremismus« und Islamismus sowie gegen eine angebliche »Verklärung der DDR-Vergangenheit« zu finanzieren. Zahlreichen örtlichen Initiativen gegen Rassismus und Faschismus droht durch die Mittelkürzung das Aus. Die Neofaschisten können sich die Hände reiben.