Mit dem Totschlagargument der »Terrorismusabwehr« betreiben die Europäische Union (EU) und die USA ihre Politik der Grundrechtseingriffe mit ihrer Datensammelwut weiter voran. Seit Montag ist das »SWIFT«-Bankdatenabkommen vorübergehend in Kraft. Außerdem wird der mißlungene mutmaßliche Terroranschlag, der Ende vorigen Jahres auf eine Passagiermaschine auf dem Weg nach Detroit verübt wurde, als Argument für weitere technologische Aufrüstung benutzt. Das SWIFT-Abkommen erlaubt den USA den Zugriff auf die Daten von Millionen europäischer Bankkunden. Das Übergangsabkommen, das von den EU-Innenministern Ende November beschlossen worden war, gilt für zunächst neun Monate.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte das Abkommen am Wochenende erneut mit scharfen Worten. SWIFT sei »weder datenschutzgerecht noch demokratisch legitimiert«. Das Europaparlament könnte es allerdings bei einer kommende Woche anstehenden Abstimmung noch ablehnen. Doch so oder so wird die EU demnächst mit den USA ein Dauerabkommen über die Herausgabe der Bankdaten aushandeln. Anders als in der Vergangenheit muß die EU-Kommission diesmal aber das Europaparlament von Anfang an in die Beratungen einbeziehen.
Auf einem informellen Treffen haben die Innen- und Justizminister der EU vergangene Woche im spanischen Toledo derweil weitere technologische Aufrüstungen und Datensammlungen vorbereitet. Die als Gast anwesende US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano hatte angekündigt, die USA würden die Anzahl der sogenannten Nacktscanner von derzeit 40 auf insgesamt 450 Geräte erhöhen. Man habe, so Napolitano, gute Erfahrungen mit den Scannern gemacht, da man damit Sprengstoffe erkennen könne. Der sogenannte Antiterrorismuskoordinator Gilles de Kervoche der EU forderte in diesem Zusammenhang die Europäische Kommission dazu auf, »rasch« ihren Bericht vorzulegen. Offenbar wird die Einführung dieser die Intimsphäre verletzenden Geräte in der EU vorbereitet.
Die in Toledo vorgetragenen US-amerikanischen Wünsche nach noch stärkerer weltweiter Zusammenarbeit im »Kampf gegen den Terror«, insbesondere noch umfangreicheren Datensammlungen, blieben unwidersprochen. Dabei hat gerade der Anschlag von Detroit gezeigt, daß die Strategie der millionenfachen Datenerhebung gescheitert ist. Die Behörden sind schon jetzt nicht in der Lage, die schier unübersehbare Datenflut zu analysieren und die Erkenntnisse zu verknüpfen. Doch unbeirrt hiervon stimmt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in den Chor derer ein, die nun auch noch eine rasche Erfassung der Passagierdaten von Flügen in die und innerhalb der EU fordern. Die Kommission erarbeitet derzeit einen Vorschlag hierzu. Bei Flügen in die USA ist dies bereits vorgeschrieben. Angesichts der umfangreichen Flugbewegungen in der Europäischen Union wäre die Vorab-Speicherung sämtlicher Fluggäste ein schier wahnwitziges Projekt.
Erst vor zwei Wochen hat ein Vorfall auf dem Münchner Flughafen gezeigt, daß auch die modernste Technik im Ernstfall nicht viel hilft: Ein Passagier hatte dort einen – irrtümlichen – Sprengstoffalarm ausgelöst, konnte aber dennoch unbehelligt zum Flugsteig weitergehen. Grund dafür waren Überlastung und – angesichts miserabler Löhne nur allzu verständliche – Demotivation des Sicherheitspersonals. Doch anstatt an diesem Punkt anzusetzen, folgen die EU-Regierungen dem vermeintlichen Vorbild USA.