Kaum hat das Bundesverfassungsgericht die Speicherung von Telefonverbindungsdaten in der vor zwei Jahren von CDU/CSU und SPD eingeführten Form für nichtig erklärt und die Löschung aller Daten angeordnet, drängt die CDU/CSU auf eine rasche Neueinführung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde am Montag im Münchner Merkur mit der Forderung zitiert, ein neues Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung müsse noch vor der Sommerpause her. Auch andere Innenpolitiker der Union erhöhten in den letzten Tagen den Druck auf Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die bisher keinen Grund für einen »Schnellschuß« sieht. Damit ist der nächste Konflikt in der Bundesregierung programmiert.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März dürfen Telefon- und Internetdaten von Bürgern nicht mehr für sechs Monate gespeichert werden, solange nicht wesentlich engere Bedingungen hierfür als bisher festgelegt worden sind. Die Karlsruher Richter lassen die Speicherung künftig nur mehr als Ausnahme bei schwersten Verbrechen zu. Die EU-Richtlinie gilt aber weiter unverändert. Deshalb hält es die CDU/CSU für zulässig und notwendig, sofort ein neues, die Karlsruher Vorgaben erfüllendes Eingriffsgesetz zu erlassen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) meint, es gäbe keinen sachlichen Grund für ein Abwarten. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), beklagte, die Verfassungsrichter erschwerten die Arbeit des Parlaments, indem sie – wie bei der Vorratsdatenspeicherung – »zu konkrete Vorgaben« machten.
Bundesinnenminister de Maizière zog das altbekannte Argument von angeblichen »Sicherheitslücken« aus der Schublade. Die Arbeit der Sicherheitsbehörden sei erheblich beeinträchtigt. »Wenn sich das herumspricht, dann wird Internetkriminalität nach Deutschland verlagert«, prophezeite der Minister in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Eine schnelle Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung halte er für »möglich, zumutbar und auch für nötig«. Die für Inneres und Justiz zuständigen EU-Kommissarinnen hätten ihm versichert, daß es keine Grundsatzrevision der Richtlinie geben werde.
Genau darauf, nämlich auf eine Änderung der EU-Richtlinie, hofft aber die FDP. Sechs EU-Staaten haben die Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger möchte daher die weitere Debatte auf der EU-Ebene abwarten. Die FDP müsse jetzt Standfestigkeit beweisen, forderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. Auch die Linke forderte einen völligen Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung. Sogar Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) teilt die Sicherheitsbedenken der CDU/CSU nicht. »Die Katastrophe für die Strafverfolgung an die Wand zu malen ist Humbug und unangemessen«, meinte Körting. Zudem gebe es die Befugnis zum Abhören von Telefonaten. Diese häufig angewandte Telefonüberwachung sei von dem Urteil zu den Verbindungsdaten gar nicht berührt.