Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) hat vor Ostern ein »Memorandum of Understanding«, also eine vertragliche Vereinbarung, mit dem griechischen Minister für Bürgerschutz, Michalis Chryssohoidis, unterzeichnet. Darin wird laut einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums »der Austausch von Verbindungspersonal für den Asylbereich zwischen Griechenland und Deutschland« geregelt. Was sich so harmlos anhört, ist in Wahrheit Teil einer Strategie, die Außengrenzen der Europäischen Union (EU) noch dichter als bisher gegen Flüchtlinge zu schließen.
Griechenland ist in den Augen de Maizières ein Einfallstor nach Europa. Aufgrund der geographischen Lage mit zahlreichen Inseln in der Ägäis, die teilweise nur wenige Kilometer vor dem türkischen Festland liegen, ist es dort für Schutzsuchende durchaus möglich, auf EU-Gebiet zu gelangen. Aufgrund des für die EU-Staaten gültigen Übereinkommens »Dublin II« ist dann Griechenland bei diesen Flüchtlingen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Dies gilt auch dann, wenn die Betroffenen mittlerweile in einen anderen EU-Mitgliedsstaat weitergereist sind. Sie werden gemäß »Dublin II« nach Griechenland zurückgebracht.
In Griechenland ist aber seit langem kein korrektes Asylverfahren gewährleistet. Dies hat eine Delegation des Innenausschusses des deutschen Bundestags im Sommer in Athen selbst festgestellt. Angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen sind die Behörden völlig überfordert, wozu auch eigene Versäumnisse der bis Herbst 2009 amtierenden konservativen Regierung beigetragen haben. Dies darf aber nicht zu Lasten der Schutzsuchenden gehen. Die kommen überwiegend gar nicht erst dazu, einen Asylantrag zu stellen, weil die hierfür zuständige Behörde in Athen aus Kapazitätsgründen viele Asylbewerber gar nicht vorläßt. Die Flüchtlinge werden so in die Illegalität gedrängt.
Aus diesem Grund hat die Linke wiederholt im Bundestag verlangt, das »Selbsteintrittsrecht« entsprechend der »Dublin II«-Verordnung wahrzunehmen und keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zu überstellen, sondern diese Asylverfahren in Deutschland durchzuführen. Dies entspricht auch einer Forderung von Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl. Die Bundesregierung ist aber lediglich bereit, in Einzelfällen so zu verfahren. Einen generellen Abschiebstopp nach Griechenland lehnt sie strikt ab.
Hintergrund ist die Befürchtung der Bundesregierung, daß dann die gesamte, für die im Zentrum der EU gelegenen Staaten äußerst bequeme »Lastenverteilung« ins Wanken geraten würde. Wenn die Bundesregierung zugeben würde, daß das derzeitige System, die Staaten mit EU-Außengrenzen als zuständig für die Asylverfahren zu erklären, nicht den normalen rechtsstaatlichen und humanitären Standards entspricht, müßte Deutschland konsequenterweise selber mehr Asylbewerber aufnehmen. Dazu ist die Bundesregierung nicht bereit.
»Dublin II« ist aus ihrer Sicht ein wichtiger Baustein bei der Abschottung nach außen und soll als Element des schon von den Innenministern Otto Schily (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) vehement verfochtenen Konzepts der EU als »Festung Europa« auf alle Fälle aufrecht erhalten werden. Denn neben Griechenland sind auch Malta, Zypern und Italien immer weniger bereit, für die anderen EU-Staaten die Asylverfahren mit zu erledigen.
Somit liegt das Motiv für die am Donnerstag verkündete engere Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Athen darin, dort die Flüchtlingsabwehr zu perfektionieren, damit sich die Bundesregierung, die um die derzeitigen unhaltbaren Zustände bei den griechischen Asylbehörden sehr wohl weiß, weiterhin dem Ruf der Linken und Grünen nach einer grundlegenden Revision der deutschen Flüchtlingspolitik verweigern kann.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärte am Donnerstag hierzu: »Ein wichtiger Baustein der verstärkten Zusammenarbeit im Asylbereich zwischen Deutschland und Griechenland wird der Austausch von Verbindungspersonal sein, wie er bereits mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union üblich ist. Der Einsatzbereich der Verbindungsbeamten erstreckt sich auf den Austausch von Informationen über Abläufe im Asylverfahren der jeweiligen Länder und die Unterstützung bei der bilateralen Zusammenarbeit, etwa im sog. Dublin-Verfahren.« Noch im April 2010 werde ein deutscher Verbindungsbeamter seine Arbeit im griechischen Ministerium für Bürgerschutz aufnehmen.
Diese Maßnahme ist im Zusammenhang mit einer Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihres Türkei-Besuchs vergangene Woche zu sehen. Die Kanzlerin stellte Erleichterungen bei der Erteilung von Visa in Aussicht, verlangte aber im Gegenzug von der türkischen Regierung den Abschluß eines Rückübernahmeabkommens für Flüchtlinge.
Einerseits soll also den griechischen Behörden deutsche Effizienz im Verwaltungsbereich verordnet werden, andererseits soll die Türkei dazu dienen, Flüchtlinge außer Landes und außerhalb des EU-Gebietes zu schaffen. Dies zusammen soll die EU und damit Deutschland für Schutzsuchende unerreichbar machen.