Analog zum Aussteigerprogramm des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) soll es laut eines Strategiepapiers des Innenministeriums Angebote für Islamisten und Linksextremisten geben. Die Bundestagsfraktion Die Linke wollte mit einer Kleinen Anfrage wissen, wie denn die Erfahrungen des bisherigen Programms zum Ausstieg von Neonazis sind und wie diese Erfahrungen auf Linke und Islamisten zu übertagen seien.
Seit Einrichtung des Aussteigerprogramms für Rechtsextremisten im Jahre 2001 haben nach Aussagen der Bundesregierung 1100 Anrufer die Hotline des BfV gewählt – bei abnehmender Tendenz. Davon seien ein Drittel als potentiell ausstiegswillig angesehen worden. Von diesen wurde wiederum ein Drittel »intensiv weiter betreut« – bis hin zur Hilfe bei der Wohnungssuche, wenn die »Klienten« von ihren ehemaligen Kameraden bedroht wurden.
Wenn es sich nicht gerade um Führungskader handelt, erscheint durchschnittlich ein Ausstieg pro Monat angesichts Tausender gewaltbereiter und gewaltausübender Neonazis nicht gerade als Durchbruch im Kampf gegen rechts. Doch in den Augen der Bundesregierung hat sich das BfV-Programm »als ein solches nachhaltiges Präventionsinstrument bewährt«, daß es auch für die Bereiche »Linksextremismus« und »Islamismus« weiterentwickelt werden soll. Den Start machte hier im Juli HATIF, was auf arabisch »Telefon« bedeutet und zugleich als Abkürzung für »Heraus aus Terrorismus und islamischem Fanatismus« steht. »Im Unterschied zu Rechtsextremisten berufen sich Islamisten allerdings auf eine Religion, den Islam«, hat auch die Bundesregierung erkannt. Dennoch ziele HATIF nicht auf einen »Ausstieg aus dem Islam ab, sondern richte sich vielmehr an Personen, die sich von Gewaltanwendung und Gewaltbefürwortung im Namen des Islam abwenden wollen«.
Zum eigentlich ab Herbst geplanten Aussteigerprogramm für Linksextremisten wollte die Linksfraktion wissen, ob auch dort eine besondere Notwendigkeit zum Schutz der Betroffenen gesehen werde und in wie vielen Fällen sie mit Drohungen und Gewalt ihrer ehemaligen Genossen konfrontiert wurden. Wie zu erwarten, bleibt die Bundesregierung die Antwort schuldig. »Die im Hinblick auf den Phänomenbereich Linksextremismus in Erstellung begriffene Konzeption läßt eine detaillierte Auskunft derzeit nicht zu.« Im Klartext: Mit dem schon im Koalitionsvertrag enthaltenen unwissenschaftlichen Extremismusansatz, der Faschisten und Antifaschisten als Extremisten gleichsetzt, läßt sich zwar gut diffamierende Propaganda gegen links, aber kaum praktische Politik machen.
erschien: junge Welt 15.9.2010