Es »hat Aufrüstung und Krieg finanziert, das Regime über zwölf Jahre stabilisiert und es letztlich mitgetragen«, lautet das gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geäußerte Fazit des Kölner Wirtschaftshistorikers Hans-Peter Ullmann. Er ist Sprecher einer Kommission zur Aufarbeitung der Rolle des Ministeriums während des Nazismus. Dafür organisierte das im Vergleich zum Auswärtigen Amt laut Ullmanns Forscherkollegen Ulrich Herbert »vermutlich deutlich einflußreichere« Finanzministerium die systematische Ausplünderung zuerst von jüdischen Deutschen und nach Beginn des Weltkrieges auch der Bewohner der besetzten Länder. Schätzungsweise 119 Milliarden Reichsmark – ein Drittel der Aufwendungen der Wehrmacht – kamen aus den Raubzügen während des Krieges.
»Vor der Deportation in die Vernichtungslager erlitten die Juden den Finanztod«, erklärte Ullmann am Montag in einem Zwischenbericht. Schon im Sommer 1933 beauftragte der Reichsfinanzminister das Berliner Finanzamt Moabit-West mit der fiskalisch verbrämten Enteignung von ausgewanderten oder geflohenen Gegnern des Naziregimes. Als erste öffentliche Stelle machte die Steuerverwaltung die antisemitische Naziideologie zur offiziellen Richtlinie ihrer Praxis. Eine bereits 1931 eingeführte Steuer für Auswanderer wurde nun als »Reichsfluchtsteuer« auf ein Viertel des Vermögens angehoben, das die zumeist jüdischen und antifaschistischen Flüchtlinge dem Nazireich überlassen mußten. Ihr übriges Vermögen konnten sie nur mit großen Verlusten umtauschen, so daß zu Beginn des Weltkrieges der vom Staat einbehaltene Wert rund 96 Prozent betrug. Kurz nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 wurde mit der »Judenvermögensabgabe« eine explizit antijüdische Sondersteuer beschlossen. »Im arbeitsteiligen Prozeß der Vernichtung übernahmen die Finanzbeamten die Aufgabe, alle Reste der bürgerlichen Existenz der Deportierten auszulöschen«, so die Münchner Historikerin und Mitarbeiterin der Kommission, Christiane Kuller.
Die aktive Rolle des Ministeriums bei der »Arisierung« jüdischen Eigentums und der Finanzierung der Kriegspolitik wurde nach der Befreiung vom Faschismus von den ehemals führenden Akteuren der Behörde vertuscht. An der Spitze des Reichsfinanzministeriums stand bis 1945 der bereits vor der Nazidiktatur 1932 in dieses Amt berufene Lutz Graf Schwerin von Krosigk. In der Öffentlichkeit stellte sich Krosigk, der im Wilhelmstraßenprozeß als Kriegsverbrecher zu zehn Jahren Haft verurteilt, aber bereits 1951 amnestiert wurde, als unpolitischer »Hauptbuchhalter der Nation« dar. Während Krosigk nach seiner Haftentlassung nur noch als Publizist tätig war, wurde durch andere an der »Arisierung« beteiligte Finanzbeamte die personelle Kontinuität auch in den Bundesfinanzbehörden gewahrt. Dies herauszuarbeiten ist eine ausdrückliche Aufgabe der Forschungskommission.