Rede zu TOP 15 der 84. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages
GE der Bundesregierung 17/3354 zur Enführung eines elektronischen Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige
Wir debattieren heute abschließend über die Einführung eines elektronischen Aufenthaltstitels für Bürgerinnen und Bürger, die aus Staaten außerhalb der EU kommen und in Deutschland einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel besitzen. Sie sollen in Zukunft eine Karte mit maschinenlesbarem Chip erhalten, der alle ihre persönlichen Daten, ein digitalisiertes Foto und die Fingerabdrücke enthält. Die Koalition ist eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben, ob die Einführung dieses elektronischen Aufenthaltstitels angesichts des enormen technischen Aufwandes und der damit verbundenen Kosten wirklich notwendig ist.
Ich will noch einmal auf die wesentlichen Bedenken der Linksfraktion zur Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels eingehen.
Wie bei der Einführung des elektronischen Personalausweises und des elektronischen Reisepasses, mitsamt der digitalisierten Erfassung von Bildern und Fingerabdrücken, bezweifeln wir die sicherheitspolitische Notwendigkeit des elektronischen Aufenthaltstitels. Weder in der zugrundeliegenden EU-Verordnung noch im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird substanziell dargelegt, welche Sicherheitslücken bisher bestanden haben oder welchen quantitativen Umfang Fälschungen und Verfälschungen von EU-Aufenthaltstiteln aufgewiesen haben. Man hat den Eindruck, es ist wie bei vielen aktuellen sicherheitspolitischen Forderungen: eine reale Gefahr besteht nicht, aber ein von den Sicherheitsbehörden und zahlreichen profitierenden Unternehmen entworfenes Szenario. Gehandelt wird nicht auf Basis der realen Gefahrenlage, sondern aufgrund der entworfenen Szenarien. Diese Politik lehnen wir ganz grundsätzlich ab.
Die Ablehnung resultiert auch aus den Risiken und Gefahren der elektronischen Erfassung sensibler persönlicher Daten. Wo Daten erfasst und verarbeitet werden, entsteht auch immer die Gefahr von Sicherheitslücken bei der Übermittlung und des Datendiebstahls. Auch die Karten selbst sind für jeden auslesbar, der über die entsprechenden technischen Mittel verfügt. Es werden aber auch weitere Begehrlichkeiten bei den staatlichen Behörden selbst geweckt: wenn doch ohnehin Passbilder und Fingerabdrücke digital erfasst werden, warum diese dann nicht speichern? Ich sage Ihnen, wir werden eines Tages hier stehen und darüber debattieren, welche dieser biometrischen Daten von den kommunalen Behörden oder sogar dem Ausländerzentralregister dauerhaft gespeichert und den Sicherheitsbehörden zugänglich gemacht werden sollen!
Schließlich lehnen wir den Gesetzentwurf auch wegen des diskriminierenden Charakters ab, alle Menschen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Staates besitzen und zum Teil ja dauerhaft in Deutschland leben, zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke zu zwingen. Ich will darauf hinweisen, dass davon ja nicht nur Erwachsene betroffen sind. Kinder ab dem sechsten Lebensjahr sollen ihre Fotos und Fingerabdrücke ebenfalls digital erfassen lassen. Es ist schlicht skandalös, hier eine erkennungsdienstliche Behandlung von Kindern durchführen zu wollen. Das sicherheitspolitische Argument ist an dieser Stelle nicht einfach zweifelhaft, sondern geradezu absurd. Das Signal, dass von diesem Vorgang an die Kinder und Jugendlichen ausgesandt wird, ist integrationspolitisch verheerend.
Und auch die Kostenfrage muss ich hier noch einmal ansprechen: Hier sind vor allem die betroffenen Ausländer die Leidtragenden, denn sie haben die immens hohen Unkosten dieser Ausweiskarte zu tragen. Statt bislang bis zu 200 Euro, zahlen sie für eine Niederlassungserlaubnis bis zu 260 Euro, bei einer Aufenthaltserlaubnis werden zukünftig 140 statt 80 Euro fällig. Schon allein die Produktionskosten liegen weit oberhalb der derzeitigen Kosten: Bislang erhielten Ausländer einen Aufkleber in ihren Pass, aus dem der Aufenthaltstitel hervorging. Diese Aufkleber kosteten in der Produktion 78 Cent. Die elektronische Karte kostet in der Produktion 30 Euro. Hinzu kommt der deutlich gestiegene Aufwand bei den Behörden: sie müssen nun eine neue technische Infrastruktur für die digitale Erfassung der Passfotos und der Fingerabdrücke und die Weiterverarbeitung der Daten bereit halten. Die tatsächlich entstehenden Kosten können noch gar nicht exakt eingeschätzt werden.
Noch einmal kurz zusammengefasst: Die Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels ist sicherheitspolitisch überflüssig. Sie ist eine Belastung der kommunalen Verwaltung. Sie kommt die Kommunen und vor allem die Betroffenen teuer zu stehen. Die Erfassung und Digitalisierung der persönlichen Daten, besonders der biometrischen Daten, schafft neue Sicherheitslücken und Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden. Die digitale Erfassung ganzer Familien aufgrund ihres Aufenthaltsstatus und ihrer Herkunft von außerhalb der EU ist diskriminierend und integrationspolitisch verheerend. DIE LINKE lehnt diesen Gesetzentwurf daher ab.