Eigentlich wollte Friedrich überhaupt nicht Innenminister werden. Nach dem Rücktritt des Exdoktors Karl-Theodor zu Guttenberg am 1.März erhob er klar den Anspruch, daß auch der künftige Kriegsminister von der CSU zu stellen sei: »Gehen Sie davon aus, daß wir die Frau Bundeskanzlerin mit einem oder mehreren Vorschlägen konfrontieren werden«, versicherte er am 2. März dem Deutschlandfunk. Daß er durchaus eigene Ambitionen auf das Amt hatte, verriet eine hübsche Freudsche Fehlleistung auf der CSU-Homepage: Einen Tag nach (!) Friedrichs Vereidigung als Innenminister präsentierte die Internetseite ihren ehemaligen Landesgruppensprecher als neuen Verteidigungsminister.
Nun ist der CSU-Mann also fürs Innenressort zuständig. Seine bisherigen Äußerungen lassen nicht erwarten, daß er in Grundsatzfragen vom »Law and order«-Stil seiner Vorgänger aus der CDU abweicht. Es ist allerdings auch nicht damit zu rechnen ist, daß er den häufig als »zurückhaltend« beschriebenen Stil de Maizières übernehmen wird. Im Gegenteil: Der verhinderte Kriegsminister fährt gerne schweres Geschütz auf. Kaum im Amt, wetterte er gegen den Islam, der nicht zu Deutschland gehöre – gerade so, als müsse Friedrich um die Lufthoheit an bayerischen Stammtischen erst noch kämpfen. Dort wird man auch die Erklärung zu interpretieren wissen, die CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nachschob: Sein Parteifreund habe gar nichts gegen Muslime, er habe ja vielmehr sogar eine muslimische Schwägerin, mit der er sich gut verstehe. »Wie aus dem Lehrbuch des Rechtspopulismus. Wer Fremdenangst, gar Fremdenhaß empfindet, hat die Botschaft auch so verstanden«, kommentierte die Frankfurter Rundschau. Daß Friedrichs Gerede von einer »christlich-jüdisch-abendländischen« Tradition implizit so tut, als habe der Islam nichts mit dem Judentum zu tun, ist für sein Weltbild nicht minder bezeichnend.
Richtige Religion
Der Mann hat es sehr mit der Religion. Natürlich nur mit der richtigen, also christlichen. Wohin er blickt, sieht er eine Verschwörung gegen den rechten Glauben: »Bedauerlicherweise wollen antikirchliche und antichristliche Kräfte eine Kampagne gegen Religion und die Kirchen führen.« In den Reihen von FDP, Grünen und SPD stelle er diesbezüglich »eindeutige Tendenzen« fest, die er leider nicht näher benannte (Die Welt, 3. Januar 2011). Die Linkspartei erwähnt er dabei gar nicht erst, in ihr sieht er vermutlich die Verkörperung des Antichristen. Daß einfach nur jeder nach seiner Fasson selig werde und die Allgemeinheit damit nicht belästige, ist nicht sein Ding: »Es wäre aber falsch, das Bekenntnis zum christlichen Glauben zu einer Privatangelegenheit zu erklären«, und gar »fatal, wenn wir unsere Tradition und Kultur nur noch republikanisch begründen«. Ohne Mystizismus kein Staat nach CSU-Gusto, deswegen dürfte die christliche Religion »nicht aus der Öffentlichkeit verdrängt werden«. Anders dagegen der Islam: Es sei falsch, wenn die »Islam-Debatte« instrumentalisiert werde, »um Stimmung gegen Religion allgemein zu machen«. Wenn schon, geht es nur gegen den Islam selbst: Nach der Schweizer Volksabstimmung, die voriges Jahr den Neubau von Minaretten verbot und damit die Verdrängung des Islam aus der Öffentlichkeit forderte, sah Friedrich »Handlungsbedarf« auch in Deutschland. »Den Machtanspruch von Muslimen nach dem Motto: ›Wir setzen an die Stelle eurer Kultur unsere Kultur‹ kann niemand akzeptieren«, so die eindrucksvolle Zurschaustellung paranoider Vorstellungen. (Kölner Stadtanzeiger, 5. Dezember 2009)
In gewisser Weise ist er das auch heute: Genauso, wie er überall den Antichristen am Werke sieht, beobachtet er auch das Treiben von »Extremisten«. »Die linke Szene hat wieder zugeschlagen«, vermeldete er am 11. Februar 2011: »Als die Polizei ein besetztes Wohnhaus in Berlin auf Grundlage mehrerer Gerichtsurteile räumen wollte, verletzten die Extremisten 61 Menschen. Stimmen aus Grünen und Linkspartei relativierten das Unrecht und sympathisierten mit den Tätern.« Um das aufzulösen: Die Rede war von der Räumung des linken Wohnprojektes Liebigstr. 14 in Berlin, das keineswegs besetzt war, die Bewohner hatten vielmehr bis zuletzt Miete gezahlt. Mit den »Extremisten« meint Friedrich Bewohner bzw. Sympathisanten und mit den verletzten Menschen die schwer gepanzerten Polizeibeamten. Dem Berliner Stadtteilbürgermeister der Grünen, der Verständnis für die Proteste gegen Gentrifizierung und Vertreibung geäußert hatte, warf Friedrich vor, gegen den Staat »gehetzt« zu haben.
Im Kampf gegen den Extremismus kennt Friedrich keine Parteien mehr, nur noch Regierung und »oppositionelles Linksbündnis«, so seine Lieblingsformulierung in seinen regelmäßigen »Briefen aus Berlin«. Generell spricht er eher wenig über die Linkspartei (»Neokommunisten«) und viel lieber über die Grünen, für die er das Synonym »Dagegen-Partei« benutzt. Sein Lieblingsgegner ist Hans-Christian Ströbele, bzw. »der Alt-68er«. Es gebe kaum eine Bürgerinitiative, bei der die Grünen nicht dabei seien, begründet Friedrich diese Einschätzung. Bürgerinitiativen sind für ihn eben auch nur Verweigerer. »Raus aus Infrastrukturprojekten, raus aus der Kernenergie, raus aus der Genforschung« usw., man sehe hier eine »wohlstandssatte Ermüdung«, die für künftige Generationen »hoch gefährlich« sei, ganz im Gegensatz zu den beschriebenen Technologien eben (Stuttgarter Nachrichten, 17.Oktober 2010). Zusammen mit Familienministerin Kristina Schröder (CDU) wird Friedrich ein hochmotiviertes Team von Extremismusaustreibern bilden können. Projekte, die sich gegen Neofaschisten engagieren und auf Bundesmittel angewiesen sind, werden wohl noch stärker als bisher verdächtigt, insgeheim »linksextremistischen« Umtrieben nachzugehen.
Vorratsdatenspeicherung
Zu lachen wird aber auch die FDP nichts haben. Die ist ja ohnehin schon als potentiell antichristlich eingestuft und steht mehr oder weniger unter Verdacht, dem Terrorismus Vorschub zu leisten: Auf die Frage, ob Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit ihrem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung »indirekt das schmutzige Tun von Kriminellen und Terroristen« unterstütze, wies Friedrich nicht etwa die Unterstellungen gegen seine Koalitionspartnerin zurück, sondern diktierte der Mittelbayerischen Zeitung (21.Januar 2011), ohne das Überwachungsprojekt stünde in der Tat »Europa am Ende wehrlos gegenüber Terroristen und Kriminellen da«. Friedrich sieht die Gefahr, daß Kriminelle und Verbrecher in Deutschland »die Oberhand gewinnen«, womit er freilich nicht auf Promotionsfälscher und Kriegsverbrecher abzielte. Schon nächste Woche soll Kabinettskollegin Leutheusser-Schnarrenberger ins Gebet genommen werden.
Der Abwehrkampf, den das Christentum gegen die Machtansprüche des Islam zu fechten habe, erfordert selbstredend, die Schotten dicht zu halten. Auf die Frage »Ist Deutschland ein Zuwanderungsland?« reagiert Friedrich mit einem erschreckten »Nein!« und schiebt nach: »Es wäre sehr kurzsichtig, vorrangig auf Zuwanderung zu setzen und die eigene Bevölkerung ins Abseits rutschen zu lassen« (Rheinische Post, 18. Oktober 2010). Gefahr droht aus Brüssel, wo die Europäische Kommission mit der Anpassung von Asylrichtlinien einen »unkontrollierbaren Zustrom« herbeizuführen drohe. Ergo: »Europäische Asylpolitik Gefahr für innere Sicherheit«, so die Überschrift einer aufgeregten Stellungnahme der CSU-Landesgruppe vom März vergangenen Jahres. Daß die Zahl der Asylanträge tatsächlich rückläufig ist, bleibt da ein vernachlässigbares Faktum. Schließlich ist Friedrich Mitglied der Studentenverbindung Ludovicia Augsburg, der einzigen katholischen Burschenschaft, die als drittes Prinzip nicht »scientia«, sondern »patria« führt– Vaterland statt Wissenschaft.
Und Ausländer, die schon hier sind, sollen sich gefälligst anpassen. »Integrationsverweigerer« müßten schneller und härter sanktioniert werden. Schluß mit dem »weichen Sozialnetz«, fordert Friedrich. Die Drohung gilt allerdings auch für Deutsche. Die Jobcenter müßten konsequenter als bisher ihre Möglichkeiten zur strafweisen Kürzung von Hartz IV umsetzen, wenn jemand »einen zugewiesenen Arbeitsplatz nicht annimmt« – dabei fehlte sogar die ansonsten übliche Formulierung, der Arbeitsplatz müsse wenigstens »zumutbar« sein. (Super Illu, 14. Oktober 2010)
Friedrich wird seine Weltsicht wohl auch als Innenminister beibehalten. Seine schon beinahe paranoide Furcht vor Islam und »Extremismus«, seine ans Fundamentalistische grenzende Idee einer christlichen Nation gut Integrierter, die anstandslos jeder »zugewiesenen« Arbeit nachgehen, droht das innenpolitische Klima weiter zu vergiften.