Rede im Bundestag: Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen massiv beschränken

Rede zu TOP 25 der 99. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages, Antrag der Fraktion DIE LINKE „Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei massiv beschränken“ auf Drucksache 17/5055

Anrede,

die Fraktion DIE LINKE will den Einsatz von Pfefferspray durch die Bundespolizei massiv beschränken.
Denn Pfefferspray, bzw. sein chemischer Ersatz, ist eine gefährliche, unter Umständen tödliche Waffe. Nicht von ungefähr steht auf den Sprühgeräten, die man im Waffenladen kaufen kann, eindeutig drauf, dass sie nur gegen Tiere eingesetzt werden dürfen. Doch eine Ausnahme gibt es: Die Polizei darf auch Menschen mit Pfefferspray besprühen.
Und da müssen wir leider feststellen, dass die Polizei keineswegs nur in Fällen akuter Notwehr zum Pfefferspray greift. Vielmehr haben wir gerade im vorigen Jahr gesehen, dass Pfefferspray zum ganz normalen Mittel eines Polizeieinsatzes geworden ist und flächendeckend und massiv gegen Demonstranten, Fußballfans oder Einzelpersonen eingesetzt wird.

Wie unverhältnismäßig diese Einsätze oftmals sind, erwies sich zum Beispiel am 30. September vorigen Jahres in Stuttgart, als die Menschen, die gegen das Milliardengrab Stuttgart 21 protestiert haben, massiv mit Pfefferspray beschossen wurden. Noch schlimmer war es dann beim Castor-Transport im November. Dort hat alleine die Bundespolizei fast 2200 Sprühdosen verbraucht. Insgesamt waren Hunderte von Verletzten zu beklagen. Die Fraktion DIE LINKE hält es für absolut unverantwortlich und undemokratisch, so mit Demonstranten umzuspringen.

Denn gerade beim Einsatz gegen größere Menschenmengen nehmen die Einsatzführungen und die politisch Verantwortlichen zwangsläufig in Kauf, dass auch völlig unbescholtene Bürger in Mitleidenschaft gezogen werden.
Und wir reden hier nicht nur von Verletzten. Wir können vielmehr von Glück reden, dass es bei diesen Einsätzen keine Toten gegeben hat.
Denn Pfefferspray ist eben nicht das handliche, nützliche Allroundmittel, als das es benutzt wird. Sondern Pfefferspray ist eine potentiell tödliche Waffe, der schon Dutzende von Menschen zum Opfer gefallen sind. Das ist wissenschaftlich schon längst erwiesen, nur hat bislang niemand die politische Schlussfolgerung daraus gezogen. Dazu hat dieses Parlament nun mit unserem Antrag die Gelegenheit.

Inwiefern ist Pfefferspray hochgefährlich? Man kann generalisierend sagen: Kerngesunde Menschen können das Reizgas mehr oder weniger wegstecken. Verletzungen an den Schleimhäuten, insbesondere an den Augen, tragen auch sie davon, aber Langzeitschäden haben sie meist nicht zu befürchten. Doch bei gesundheitlich vorbelasteten Menschen sieht das ganz anders aus: Wer unter Asthma leidet, bestimmte Allergien hat, Psychopharmaka nehmen muss, dauerhaft Kokain oder Amphetamine konsumiert oder eine Herz-Kreislauf-Schwäche hat, für den wird der Kontakt mit Pfefferspray extrem gefährlich. Am schlimmsten sind dabei die möglichen allergischen Schockreaktionen, die entstehen können. In Stellungnahmen des US-Justizministeriums, aber auch beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ist nachzulesen, dass es dieses Risiko gibt. Alleine in den letzten zwei Jahren waren in Deutschland mindestens fünf Todesoper zu beklagen. Selbst die Bundesregierung sagt: „Bei bestimmungsgemäßer Exposition von gesunden Personen sind in der Regel keine bleibenden gesundheitlichen Schäden zu erwarten.“ Das hat sie auf eine Kleine Anfrage von uns geantwortet. Damit bestätigt sie verklausuliert, dass kranke Personen sehr wohl gefährdet sind. Doch die tödlichen Risiken und Nebenwirkungen bezeichnet sie zynisch als „Einzelrisiken“. Die LINKE meint allerdings: Ein Mittel, das den Tod hervorrufen kann, darf, wenn überhaupt, nur extrem zurückhaltend eingesetzt werden.

Niemand kann Situationen ausschließen, in denen eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben existiert und der Einsatz von Pfefferspray gegen einen Gewalttäter als akute Notwehr vertretbar erscheint. Viele Frauen führen es mit sich, um sich gegen angreifende Männer wehren zu können. Aber was einfach nicht sein darf: Solche Reizgase gegen Menschen einzusetzen, die friedlich protestieren. Nehmen wir Stuttgart 21: Die Räumung des Schloßparks ohne Pfefferspray hätte vielleicht ein paar Stunden länger gedauert. Aber was ist schon die mögliche Verzögerung dieses unsinnigen Bauprojekts gegen das Risiko, durch wahllosen Pfefferspray-Einsatz schwerste Gesundheitsschäden zu verursachen? Denn es kann doch keiner ausschließen, dass unter den Demonstranten nicht etliche Menschen mit Asthma sind, oder Allergiker. Das gleiche gilt für den Protest gegen den Castor-Transport. Und auch der Einsatz gegen sogenannte Randalierer, die eventuell nur einfache Ruhestörungen verursachen, muss unterbunden werden. Denn gerade weil solche Personen häufig Drogen konsumiert haben, ist Pfefferspray für sie unvergleichlich viel gefährlicher.

Wir können mit unserem Antrag nur den Pfefferspray-Einsatz der Bundespolizei einschränken. Es ist für uns ein Gebot der politischen Vernunft, aber auch schlicht der Gesundheit, auf Länderebene nachzuziehen. Genauso wenig wie man in Menschenmengen mit Schusswaffen hineinschießen darf, darf man sie mit Pfefferspray überziehen.

(Rede nach Vereinbarung zwischen den Fraktionen zu Protokoll gegeben)

1705055_Pfefferspray_beschränken.pdf