Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat zwar erkannt, daß die im Jahr 2009 von CDU und SPD eingeführte Kronzeugenregelung mangelhaft ist. Anstatt diesen »Deal im Strafprozeß« abzuschaffen, will sie entsprechend der Koalitionsvereinbarung mit CDU und CSU lediglich den Anwendungsbereich einschränken.
Nach einem jetzt vorgelegten Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sollen Kronzeugen in Zukunft nur dann einen »Strafrabatt« erhalten, wenn sich ihre Angaben auf eine Tat beziehen, die in engem Zusammenhang mit einer eigenen Verfehlung steht. Bislang gilt: Ein Straftäter, der gegen andere Beschuldigte aussagt, bekommt eine Strafmilderung. Das Ministerium hält es aber nicht mehr für vertretbar, daß beispielsweise ein Vergewaltiger, der mit seinen Angaben dazu beiträgt, eine Steuerhinterziehung aufzuklären, wegen seines eigenen Sexualdelikts milder bestraft wird. Anderes liegt laut Referentenentwurf der Fall, wenn sich ein Straftäter »von dem kriminellen Umfeld, in dem auch seine Tat begangen wurde, lösen will«, und deswegen Aussagen gegen Mittäter macht. Ein solches Verhalten vermindere seine Schuld und rechtfertige eine mildere Bestrafung. In dem Entwurf wird das Beispiel eines Hehlers angeführt, der gegen den Dieb aussagt, der ihm das Diebesgut geliefert hat.
Diese Einschränkung verkennt aber das Grundproblem jeder Kronzeugenregelung und stieß daher sofort beim Deutschen Anwaltverein (DAV) auf große Skepsis. Der DAV spricht in einer Stellungnahme zwar von einem »ersten Schritt in die richtige Richtung«. Der Verein warf aber zugleich die Frage auf, »wieso soll derjenige, der mein Auto stiehlt, milder bestraft werden, nur weil er der Polizei verraten hat, was er über den Einbruch eines Kumpels in ein Blumengeschäft gehört hat?« Der Hauptkritikpunkt der Anwälte: »Je höher der Anreiz oder der Druck zur Selbstentlastung wäre, umso schwerer wiege die Gefahr der Falschbelastung Dritter.« Damit steige die Gefahr von Fehlurteilen erheblich. Kronzeugenregelungen seien daher »unnütz und schädlich« und im übrigen auch nicht notwendig. »Kronzeugenregelungen bergen generell die Gefahr, Denunziantentum zu fördern und dienen keinesfalls der Wahrheitsfindung«, so der DAV.
Heribert Prantl plädierte schon 2007 in der Süddeutschen Zeitung (SZ) für eine Abschaffung der Regelung. Sie sei ungerecht, so Prantl. »Es handelt sich um einen staatlichen Deal mit dem Beschuldigten: Der verdient sich Strafbefreiung oder Strafrabatt, wenn er andere belastet (…) Kurz gesagt: Die Kronzeugenregelung ist eine Anstiftung zur Falschaussage per Gesetz.«
Auf der anderen Seite steht die CDU. Ihr geht die geplante Einschränkung offenbar schon zu weit. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte am 29. April gegenüber der SZ, er sehe keine Notwendigkeit, das Gesetz nach nicht einmal zwei Jahren schon wieder zu ändern.