Der Feind steht links – an dieser Maxime hat sich für die Springer-Presse seit dem Kalten Krieg nichts geändert. Und als »links« wird alles verortet, was links vom Bürgerblock aus CDU und FDP steht – von den Autonomen über Linkspartei und Grüne bis zur SPD.
Pünktlich zum 1. Mai schreibt das auflagenstärkste Berliner Springer-Blatt BZ Gewalt förmlich herbei. Während linksradikale Demonstrationsaufrufe zwar in Anlehnung an die arabischen Revolutionen einen »Tag des Zorns« verkünden, sich aber zugleich konkret gegen kapitalistische Ausbeutung, steigende Mieten und die Verdrängung ärmerer Menschen aus ihren Vierteln wenden, übt sich die BZ in Vorverurteilungen von Demonstrierenden. Dabei sind ihr keine Haßpredigt und kein Superlativ zuviel: »Bald ist wieder 1. Mai – und so traurig wie erwartbar wird Kreuzberg brennen«, weiß die BZ schon zwei Wochen vor diesem Datum zu einem Zeitpunkt, an dem selbst die Polizei noch keine Aussagen über mögliche Gewalt treffen will.
»Wie der linksextreme Untergrund in Berlin organisiert ist«, will das Blatt in einer »großen BZ-Serie« jeweils auf Doppelseiten enthüllen. Journalistische Sorgfaltspflicht ist nicht gefragt. Da müßte man erwähnen, daß selbst der Berliner Verfassungsschutz einen Rückgang »linksextremer Gewalt« um die Hälfte feststellt. Doch bei der BZ zählen nur Sensation, Spekulation und wilde Verschwörungstheorien über »die linksextreme Mafia« und »das geheime Netzwerk der linken Chaoten und ihrer Helfer«. Die Artikel über die »Krawallmaschinerie« werden garniert mit Berichten über einen am Rande der linken Szene agierenden Autobrandstifter und einen Angriff Unbekannter mit Molotowcocktails auf eine Polizeiwache, mit Bildern von vermummten Steinewerfern. Dazu werden »Drahtzieher der linken Szene« vorgestellt, namentlich und zum Teil mit Fotos, als handle es sich um die Hintermänner- und frauen der zuvor geschilderten Gewalttaten. Die »Beweislage« ist BZ-typisch dünn: Ein Buchhändler wird beschuldigt, »linksradikale Schriften im Angebot« zu haben. Einem Rechtsanwalt wird angelastet, daß er linke Angeklagte verteidige und mit der Antirepressionsorganisation Rote Hilfe sympathisiere.
Besonderen Wert legt die BZ auf die »Paktiererei« vermeintlicher Linksextremer mit Parlamentariern: Einem meiner wissenschaftlichen Mitarbeiter wird neben seiner Mitgliedschaft in der Roten Hilfe vorgeworfen, kurzfristig Anmelder der diesjährigen Maidemonstration gewesen zu sein. Einer Bundestagsabgeordneten der Linken wird vorgeworfen, daß sie an einer antifaschistischen Demonstration in Dresden »in vorderster Reihe« mitmarschierte und auf ihrer Website einen Link zur »teils vom Verfassungsschutz beobachteten« VVN-BdA habe. Einer Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses wird vorgeworfen, daß Antifaschismus zu ihren Schwerpunktthemen gehört und sie »auf einschlägigen Seiten gerne zitiert« würde. Ein SPD-Bezirksabgeordneter wird aufgelistet, weil er Mitglied im »Netzwerk Selbsthilfe e.V.« ist, das einmal eine Antifa-Broschüre mit Demonstrationstips unterstützte. Eine ehemalige Baustadträtin soll mit Hausbesetzern in Kontakt stehen. Staatsgelder für Extremismus– diese Gefahr sieht die BZ auch im Falle der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der VVN-BdA 5000 Euro für eine Ausstellung über Arbeiterwiderstand gegen Hitler spendete. Gipfel der Paktiererei: Das vom Land Berlin geförderte Projekt »Reach Out« gegen Rechtsextremismus verweist im Internet auf Antifa-Chroniken, die wiederum zu Websites von Antifa-Gruppen verlinkt sind, die wiederum Links zu vom Verfassungsschutz als »demokratiefeindlich« eingestuften Organisationen enthalten. Kontaktschuld nennt man sowas. Strafbar ist das nur in Diktaturen.
Stichwortgeber mancher »Enthüllungen« scheint die Antiantifa-Rubrik der extrem rechten Zeitung Junge Freiheit zu sein. Hier wurden mehrere der von der BZ betrachteten linken Aktivisten und Projekte kurz zuvor behandelt. Daß die Springer-Presse und die Junge Freiheit des öfteren Brüder im Geiste sind – insbesondere bei der versuchten Kriminalisierung antifaschistischen Engagements – ist nichts Neues. Die BZ-Serie macht die Antiantifa-Recherchen des Rechtsaußenblattes salonfähig.
Der politische Zusammenhang ist offenkundig: So wie die BZ gegen Linke hetzt, so hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder den Kampf gegen vermeintlichen linken Extremismus schon lange zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Sie hat das Prinzip der Kontaktschuld gar zur Bundespolitik gemacht: Projekte gegen Rassismus und Rechtsextremismus erhalten nur noch staatliche Gelder, wenn sie sich verpflichten, sämtliche ihrer Kooperationspartner auf Verfassungstreue zu überprüfen – und zwar mit Hilfe des Verfassungsschutzes als gleichsam unfehlbarer Instanz. Kooperationen mit der VVN-BdA oder der Linkspartei sind nur noch nach staatlicher Einzelfallprüfung möglich.
So wie heute gegen Antifaschisten und angebliche linke »Drahtzieher« gehetzt wird, hetzte Springer auch gegen die APO und die Studierendenbewegung, die 1968 gegen Notstandsgesetze und Vietnamkrieg auf die Straße gingen. Die Folge waren unter anderem die Schüsse des Neofaschisten Bachmann auf Studentenführer Rudi Dutschke, an deren Spätfolgen er starb. Rudi Dutschke und die APO hatten eine passende Antwort auf die Springer-Hetze: Enteignet Springer! Diese Losung hat nichts von ihrer Aktualität verloren.