Ungeachtet der immanenten Widersprüche dieser kapitalistischen Wirtschaftsgemeinschaft streben weitere Länder in den »Brüsseler Club«. Die Aufnahmeverhandlungen mit Bulgarien und Rumänien sind mit dem Beitrittsvertrag vom 25. April 2005 abgeschlossen, aber das Ratifizierungsverfahren ist in einigen Ländern wie auch in der BRD noch nicht durch die Parlamente. Spätestens im Herbst muß die EU entscheiden, ob es beim Beitrittstermin 1. Januar 2007 bleibt oder ob die Aufnahme der beiden Balkanländer noch einmal um ein Jahr hinausgeschoben wird. Im Monitoring-Bericht der EU-Kommission vom 16. Mai 2006 wurden Bulgarien und Rumänien erst einmal hingehalten. »Bulgarien hat ein beachtliches Maß an Angleichung an den gemeinschaftlichen Besitzstand erreicht«, heißt es im Bericht. Es gebe aber in einigen Bereichen noch »Anlaß zu ernster Sorge – hier muß dringend gehandelt werden«. Genannt werden die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, die Reform des Gerichtswesens und der Aufbau der öffentlichen Verwaltung. Ähnlich wird Rumänien eingeschätzt. Dort sind aber hauptsächlich noch technische Fragen zu lösen, wie etwa die Einrichtung einer funktionierenden Bürokratie zur Auszahlung der Agrarsubventionen.
In beiden Ländern war eigentlich erwartet worden, daß das Beitrittsdatum 1. Januar 2007 unwiderruflich fixiert würde. Die hinhaltende Taktik der EU löste daher Enttäuschung aus. Allzu große Sorgen vor dem Abschlußbericht der EU-Kommission im September und dem dann folgenden Votum müssen sich Bulgarien und Rumänien aber nicht machen. Denn nur mit einem einstimmigen Beschluß könnten die EU-Staaten Bulgariens Aufnahme noch verhindern. Eine solche Einstimmigkeit ist äußerst unwahrscheinlich, zumal das Land sich übereifrig der »Koalition der Willigen« für den Irak-Krieg Bushs und Blairs angeschlossen hat und daher die Protektion der USA und Großbritanniens genießt. Wird Bulgarien in die EU aufgenommen, dann wird nicht gleichzeitig für den Nachbarn Rumänien die Tür verschlossen bleiben.
EU diktiert neue Rechtsordnung
In Sofia vertraut die Regierung darauf, daß die BRD, die man als »strategischen Partner« ansieht, sich im weiteren Beitrittsverfahren für Bulgarien stark machen wird. Widerstand kommt nahezu ausschließlich aus der CSU. Aber selbst Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hat am Samstag in einem Interview mit der Welt durchblicken lassen, daß es der CSU eher darum geht, eine EU-Mitgliedschaft der Türkei zu verhindern. Nach dem Beitritt von Bulgarien, Rumänien und Kroatien müsse »Schluß sein mit dem Beitrittsmechanismus in der EU«, erklärte Stoiber. Für Rumänien und Bulgarien verlangte er »umfassende Schutzklauseln«, die auch das Einfrieren von EU-Fördergeldern ermöglichen, »wenn keine ausreichenden Nachweise für einen zweckentsprechenden Einsatz der EU-Fördermittel gegeben sind«. Im Klartext heißt das: Die Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens wird kommen, wegen einer Aufnahme der Türkei wird es aber noch heftigen innenpolitischen Streit geben.
Bulgarien und Rumänien haben willig alles unternommen, um die Aufnahmebedingungen zu erfüllen. In beiden Ländern gab es nach 1989 mehrere Regierungswechsel. Beispielsweise hatte in Rumänien vorübergehend eine »bürgerliche« Regierung, die so chaotisch agierte, daß sich die Bevölkerung sofort wieder für die Sozialisten entschied. Die Nachfolger der Kommunistischen Partei bilden mit 109 von 323 Abgeordneten auch nach der Wahl vom 28.11.2004 die stärkste Fraktion im Parlament; die Regierung wird aber von einer Koalition unter Führung der Nationalliberalen gebildet. In Bulgarien sind seit der letzten Wahl 2004 erneut die Sozialisten an der Macht. Aber unabhängig davon suchen beide Staaten, egal ob gerade die Sozialisten oder die Konservativen regieren, seit Jahren ihr Heil in einer EU-Mitgliedschaft in der vagen und womöglich bald enttäuschten Hoffnung, so leichter einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen.
Dafür zahlt man einen hohen politischen Preis. Denn der Beitrittsprozeß zeigt beispielhaft, daß die EU einen hohen Verzicht an nationaler Souveränität verlangt. Die EU fordert von Beitrittskandidaten Regelungen, die etwa in der BRD nie durchsetzbar wären. So mußten Bulgarien und Rumänien Regelungen hinsichtlich der Transparenz von Politikereinkommen einführen, die in der BRD als Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung verfassungswidrig wären. Der Deutsche Bundestag hat bekanntlich nur mickrige Transparenzbestimmungen zustandegebracht. In Rumänien müssen dagegen nicht nur das laufende Einkommen und Vermögen von Abgeordneten, Regierungsmitgliedern, Richtern und Staatsanwälten im Internet veröffentlicht werden, sondern sogar das ihrer Ehegatten und Kinder. Ähnliches gilt in Bulgarien. Der Grund: Die EU fordert umfassende Vorkehrungen gegen Korruption und sieht ein Höchstmaß an Transparenz dafür als präventive Maßnahme an.
Grenzsicherung und Abschottung
Eine Hauptsorge der EU gilt der »Sicherung« der neuen EU-Außengrenzen. Die unter dem Stichwort »Festung Europa« sattsam bekannte Abschottungspolitik der EU führt dazu, daß Beitrittsländer im Bereich der Grenzpolizei massiv aufrüsten müssen. Rumänien bekommt die Aufgabe, die mit 2 070 Kilometern zweitlängste EU-Außengrenze zu kontrollieren. Das Land hat viele ehemalige Lehrer umgeschult zu Grenzpolizisten, um die geforderte Personalstärke zu 100 Prozent zu erfüllen. Innenminister Vasile Braga beziffert die Kosten für die »modernste integrierte Grenzsicherung« auf 1,1 Milliarden Euro. An den dort eingesetzten High-Tech-Überwachungsgeräten verdient der europäische Konzern EADS mit deutscher Beteiligung kräftig mit. Der Justizetat Rumäniens wurde gegenüber 2005 um zwölf Prozent aufgestockt – Gelder, die in anderen Budgets wie Bildung oder Soziales fehlen. Allein zwanzigtausend neue Mitarbeiter wurden im Jahr 2005 bei der Polizei eingestellt und erhalten überdurchschnittliche Bezahlung, was zu hohen Personalkosten führt. Für Reisende aus dem Nachbarstaat Moldawien gilt auf Druck der EU Visumspflicht. Die Ausstellung eines Visums kostet aber umgerechnet 60 Euro – das Vierfache eines durchschnittlichen Monatsgehalts! Der EU-Beitritt Rumäniens führt also faktisch zum Stillstand des Reiseverkehrs aus einem befreundeten Nachbarland. Aber auch für die Rumänen selbst kostet ein Paß ab 1.1.2007 etwa 80 Euro, da die von der EU verlangten biometrischen Merkmale die Herstellung drastisch verteuern. Reisefreiheit wird so zu einer Freiheit nur für Reiche. Die EU drängt auf perfekte Abschottung und auf die damit verbundene Sammlung zahlloser persönlicher Daten bei Grenzübertritten. Daß in gleicher Weise durch die EU auf die Einhaltung des Datenschutzes geachtet würde, ist nicht bekannt (90 Prozent der Einträge in die Datei von Europol zum Menschenhandel werden von Bulgarien und der BRD geliefert!).
Ende eigener Rechtstraditionen
Eigene Rechtstraditionen der Beitrittsländer werden von der EU geringgeachtet. In Bulgarien gilt bisher das Recht von Angeklagten, die Zahl der Verteidiger selbst zu bestimmen (so wie das auch in der BRD früher selbstverständlich war, ehe man in den 1970er Jahren die Zahl der zulässigen Verteidiger reduzierte, um die RAF-Prozesse ungestörter abwickeln zu können). Künftig wird dieses Recht eingeschränkt werden. Polizisten dürfen in Bulgarien bislang nicht als Zeugen aussagen, wenn sie selbst die Ermittlungen geführt haben. Diese Regelung ist rechtsstaatlich sinnvoll, denn die Ermittlungsbeamten sind keine neutralen Zeugen. Auch in diesem Punkt wird von der EU eine Änderung der Strafprozeßordnung verlangt.
Unabhängige Staatsanwaltschaften
Dagegen existiert für die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften sowohl in Bulgarien als auch in Rumänien bereits eine Regelung, die in der BRD von linken und liberalen Juristen als Reform immer wieder eingefordert wird: die Unabhängigkeit der Anklagebehörde. Nach dem Parteispendenskandal der CDU unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und wegen des Verdachts der Korruption bei der Privatisierung der Minol-Tankstellenkette in den ostdeutschen Bundesländern gab es eine Debatte darum, die Weisungsbefugnis der Justizminister gegenüber den Staatsanwaltschaften abzuschaffen. Denn das zögerliche Vorgehen der Staatsanwaltschaften in diesen Fällen wurde von vielen Kommentatoren auf politische Einflußnahme durch die Justizministerien zurückgeführt, die an einer umfassenden Aufklärung offenbar kein Interesse hatten. Daher ist die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften das fortschrittlichere System.
Allerdings hatten sich speziell in Bulgarien wegen der fehlenden Aufsicht Schlampereien in den Strafverfolgungsbehörden breitgemacht. Ein Staatsanwalt, der als Chef der Vereinigung für die Bekämpfung von Korruption bekannt wurde, soll Akten über die Bestechung von Zollbeamten sechs Jahre nicht weitergeleitet haben. »Hochrangige Staatsanwälte haben jahrelang 24 Akten versteckt«, lautete die Schlagzeile im Wiener Standard am 13. Juni 2006. »Staatsanwälte haben unbegründet Verfahren hinausgezögert, sich gesetzwidrig in die Arbeit von Staatsanwälten niedrigeren Ranges eingemischt und ihnen Befugnisse weggenommen sowie Handlungen und Entscheidungen aufgedrängt, die ihrer inneren Überzeugung nicht entsprechen«, schrieb die bulgarische Tageszeitung Dneven Trud am selben Tag.
Der seit Februar 2006 neu im Amt befindliche Generalstaatsanwalt Boris Veltschev kehrt jetzt mit eisernem Besen und zieht die »schlampigen« Staatsanwälte zur Rechenschaft. Künftig wird es nicht mehr durchgehen, daß Staatsanwaltschaften beispielsweise korrupte Grenz- und Zollbeamte decken. Der Druck der internationalen Handelslobby war groß genug, um mit der früher gängigen Praxis aufzuräumen, daß Spediteure ohne Bakschisch-Zahlungen nicht vom Fleck kamen. Insgesamt soll dem Rechtssystem, wie im Kapitalismus üblich, künftig eine dienende Funktion gegenüber der Wirtschaft zukommen, damit das ausländische Kapital sich ungeniert breitmachen kann. Auch der US-amerikanische Einfluß im ökonomischen Bereich wird in Bulgarien und Rumänien immer größer. Eine Zusammenarbeit mit der CIA zur Unterbringung von Guantánamo-Gefangenen in Geheimgefängnissen, wie sie der Europarat kürzlich Rumänien vorgeworfen hat, wird jedoch mit Entrüstung dementiert. Aber auch ohne solche extremen Formen der Unterwerfung ist klar, daß sich jedes Beitrittsland dem westlichen Rechtssystem unterordnen muß.
Dabei hat der Westen keinerlei Grund zu solchem Hochmut. Manche politischen Probleme sind in den Beitrittsländern besser gelöst als in der alten EU. Beispielsweise ist Abgeordnetenkorruption hierzulande noch immer nicht unter Strafe gestellt. Nur auf dem Umweg über die Strafbarkeit von Stimmenkauf und Steuerhinterziehung wird in der BRD versucht, dem Phänomen zu begegnen. In Bulgarien und Rumänien ist die Korruption von Abgeordneten selbst unter Strafe gestellt. Es laufen in beiden Staaten auch Anklagen wegen dieser Delikte, in Bulgarien gegen acht Parlamentarier, in Rumänien gegen einen früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten.
Minderheitenschutz
Auch beim Minderheitenschutz ist Rumänien weiter als alte EU-Staaten, zumindest auf formalrechtlicher Ebene. Die Verfassung Rumäniens von 1991 bekennt sich in Artikel sechs zum Recht auf Identität und garantiert »den Personen, die den nationalen Minderheiten angehören, das Recht auf Wahrung, Entwicklung und Äußerung ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität«. Die Verfassung führt weiter aus, diese Schutzmaßnahmen müßten »im Einklang sein mit den Prinzipien der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung gegenüber den anderen rumänischen Bürgern.«
Hierbei handelt es sich nicht um Lippenbekenntnisse. Zum einen akzeptiert Rumänien– anders als die BRD – grundsätzlich auch Mehrstaatlichkeit. Minderheiten haben das Recht, ihre Muttersprache in Verwaltung, Justiz, Schulen und Universitäten zu benutzen. Zum anderen findet sich eine Regelung im Wahlrecht, die in der BRD auf Bundesebene unbekannt ist. In Rumänien erhalten nationale Minderheiten unabhängig vom Wahlergebnis ein Grundmandat im Parlament. Dabei ist die Minderheitendefinition keineswegs so eng wie in der BRD, wo die Einschränkung auf »Deutschstämmige« viele andere Minderheiten von Sonderrechten ausschließt. In Rumänien haben sage und schreibe Vertreter von 17 nationalen Minderheiten einen Sitz im Parlament und damit politischen Einfluß. Diese Abgeordneten sind derzeit Teil der Regierungskoalition, ebenso wie der Demokratische Verband der Ungarn in Rumänien. Diese größte Minderheit schafft es aus eigener Kraft, die Fünfprozentklausel zu überwinden und stellt daher allein 22 Abgeordnete.
Die nach wie vor miserable Situation der Roma zu verbessern, hat nach Angaben der rumänischen Regierung »oberste Priorität«. Rumänien nimmt gemeinsam mit der Tschechischen Republik, Mazedonien, Kroatien, Ungarn, Serbien, Montenegro und Bulgarien an einem Zehnjahresprogramm zur Integration von Roma teil. Dazu wurde vor zwei Jahren eine »Nationale Roma-Agentur« gegründet, die in den größten Roma-Wohngebieten örtliche Niederlassungen hat. Auf zehn verschiedenen Arbeitsfeldern soll »die Situation der Roma kontinuierlich« verbessert werden, so die Regierungsangaben; das betrifft unter anderem Wohnsituation, Gesundheitsversorgung und die wirtschaftliche Lage. Ein Nationaler Antidiskriminierungsrat, der seit 2002 existiert, hat bis Mitte des vergangenen Jahres rund 40 Sanktionen wegen Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe ausgesprochen. Darüber hinaus hat die Regierung in Bukarest ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das Qualifizierungsmaßnahmen für Roma und die Vermittlung von Arbeitsplätzen vorsieht. Im Jahr 2004 hätten so 9000 von ihnen einen Arbeitsplatz erhalten, für 2005 wurde die Zahl von 6400 Vermittlungen angestrebt. An 135 Schulen im Land wird in Roma-Sprache unterrichtet.
Lage der Roma in Bulgarien
In Bulgarien ist die Lage der Roma offenbar desolater. Die dortige Regierung verweist auf den neuen Aktionsplan und auf Dutzende Dokumente, in denen der gute Wille zur Lösung ihrer Probleme beschworen wird. Aber in der Praxis bewegt sich wenig. Nahezu zehn Prozent der bulgarischen Bevölkerung sind Roma. Sie leben aber vielfach in Ghettos, in eigenen Stadtvierteln am Rande der größeren Städte, die faktisch eigene Kommunen mit bis zu 35000 Bewohnern bilden. Diese Städte in den Städten sind aber rechtlich nicht anerkannt, ja sie werden offiziell als nicht existent betrachtet. Demgemäß sorgt der Staat nicht für eine funktionierende Infrastruktur. Bildungswesen, gesundheitliche Versorgung, Verkehrswege liegen danieder. Die Kindersterblichkeit ist hoch. Soweit überhaupt Schulen für die Ghettokinder existieren, gilt das Prinzip der strikten »Segregation«, also der Trennung von anderen Kindern. 45 Prozent der Roma sind Analphabeten. Die Arbeitslosigkeit in den Ghettos liegt bei 90 Prozent. Engagierte junge Roma versuchen gegenzusteuern. Mit geringen EU-Mitteln für eine dürftige Büroausstattung richten sie Beratungsstellen ein, in denen unter unzumutbaren Verhältnissen, aber mit großem persönlichen Einsatz an einer Verbesserung der Situation gearbeitet wird. Beispielsweise wird Rechtshilfe geleistet, wenn Roma bei Bewerbungen für Arbeitsplätze diskriminiert und aus rassistischen Motiven nicht eingestellt werden. Die ernüchternde Erfahrung: In erster Instanz erzielen die Betreuungsstellen bei den Arbeitgerichten Prozeßerfolge für die Roma, in zweiter Instanz werden die Klagen aber meist abgewiesen. Nun hofft man auf ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs gegen diese Diskriminierung.
Trügerische Hoffnungen
Es wäre auch Sache der EU, neuen Mitgliedsländern bei der Bewältigung solcher existentieller Probleme wirksam zu helfen. Tatsächlich ist aber zu erwarten, daß die von der EU propagierte und den Beitrittsländern aufoktroyierte neoliberale Marktwirtschaft die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb der Beitrittsländer noch stärker öffnen wird. Anders als in Polen oder Tschechien gibt es in Bulgarien und Rumänien noch relativ wenig Euroskeptizismus. Aber die Hoffnungen vieler Menschen sind auf Sand gebaut. Das monatliche Bruttoeinkommen liegt in Rumänien durchschnittlich bei 202 Euro. Bulgarien hat seit 1997 eine negative Handelsbilanz. 80 Prozent der Bevölkerung kämpfen ums tägliche Überleben. Die Haushaltseinkommen sinken bei steigenden Preisen für Heizung, Wasser und Müllabfuhr. Die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Erhöhung der Energiepreise führte dazu, daß sich viele Haushalte von der Energieversorgung abmeldeten. Die Inflation in Bulgarien beträgt 10,3, die Arbeitslosigkeit 18 Prozent. In der EU wächst der Privatisierungsdruck, die Verbraucherpreise werden steigen. Es ist programmiert, daß der Lebensstandard für die sozial schwachen Schichten noch weiter sinken wird.
In der Silvesternacht 2006/2007 wird zwar der EU-Beitritt mit großem Pomp gefeiert werden. Aber es gibt immer einen Morgen nach der Party und womöglich für viele Menschen ein jähes Erwachen, wenn sie bemerken, daß sie zu den Verlierern in der Ellbogengesellschaft des Westens gehören werden. Heute tun Bulgarien und Rumänien alles, um in die EU hineinzukommen. Ob die dortigen Regierungen ihre Staatsbürger darauf vorbereiten, daß auch in der EU nicht alles Gold ist, was glänzt, darf bezweifelt werden.
erschienen in: junge welt vom 22.06.2006