Kinder mit Migrationshintergrund seien heute besser integriert als früher: Das behauptet die für Migration, Flüchtlinge und Integration zuständige Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) in ihrem »9. Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland«. Kinder von Migranten hätten den Abstand zu ihren Altersgenossen aus »urdeutschen Familien« verringert, so Böhmer bei der Vorstellung ihres Berichts Ende Juni im Bundestag.
Konfrontiert man ihren Bericht mit anderen offiziellen Zahlen, zeigt sich schnell, daß es keine wirklichen Fortschritte gibt. Neue Ideen sind im Böhmer-Bericht nicht enthalten, sie preist lediglich den »Nationalen Aktionsplan Integration« von Bund, Ländern und Verbänden und die »Charta der Vielfalt« des deutschen Kapitals, mit der sich Unternehmen für Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund öffnen wollen. Aktionsplan und Charta haben beide gemein, daß es sich um weitgehend unverbindliche und beliebige Kataloge von Maßnahmen handelt, die entweder ohnehin bereits umgesetzt werden oder die rein propagandistischen Charakter haben.
Mit den Einbürgerungskampagnen der Bundesländer sollen Jugendliche überzeugt werden, sich für die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Der Blick auf andere EU-Staaten zeigt, daß nur die Hinnahme von mehrfachen Staatsangehörigkeiten, Verzicht auf Einkommensnachweise und kürzere Voraufentshaltszeiten zu einer deutlich höheren Einbürgerungsquote führen. In Deutschland ist die Zahl der Einbürgerungen hingegen in der Zeit von Böhmers Wirken um 30 Prozent zurückgegangen.
Jenseits aller Schönfärberei ist die Bundesrepublik von gleicher Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen gesellschaftlichen Bereichen weit entfernt. Das zeigt ein anderes Regierungsdokument, das seit Anfang 2012 vorliegt: Der 2. Integrations-Indikatorenbericht. Seine über fünf Jahre hinweg erhobenen Daten sind zur Bewertung der tatsächlichen Entwicklung aussagekräftiger als der Lagebericht.
Nach diesen Daten zu urteilen, hat sich die Lage von Migranten insgesamt leicht verbessert, die Kluft zum Durchschnitt der Bevölkerung ist aber in etwa gleich geblieben. Weiterhin sind Migranten doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Die Rate der Schulabbrecher ist doppelt so hoch wie im Durchschnitt, und deutlich weniger Kinder aus Migrantenfamilien erreichen die (Fach-)Hochschulreife. Dafür ist nach Ansicht des Integrations-Indikatorenberichts allerdings nicht die ethnische Herkunft entscheidend: »Ein erheblicher Unterschied zwischen Personen ohne und mit Migrationshintergrund (ist) mit Ungleichheiten der sozialen Herkunft (…) zu erklären.« Eine gerechte Sozial- und Bildungspolitik würde also der »Integration« weit mehr dienen als immer neu aufgelegte Aktionspläne oder das Ausrufen einer »Willkommenskultur«.
Unbestritten bleiben daneben die Sprachkurse ein wichtiges Instrument der Integrationspolitik. Böhmer hatte sich vor Jahren noch für eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte eingesetzt, die ihre Stundenhonorare von 18 Euro häufig mit Hartz IV-Leistungen aufstocken müssen. Doch statt dessen gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Kürzungen beim Kursangebot. Die Teilnehmerzahlen sind in der Folge gegenüber 2009 um 20 Prozent zurückgegangen. Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus.