Dessen Zweck ist es bekanntlich, die Menschenwürde zu garantieren. So will es das Asylbewerberleistungsgesetz, über dessen Rechtmäßigkeit heute das Bundesverfassungsgericht urteilt.
Das im Jahr 1993, nach einer monatelangen Kampagne gegen angeblichen Asylmißbrauch verabschiedete Gesetz dient vor allem dem Zweck, Menschen in Not vor einer Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Es schreibt ihre Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften fest und reduziert ihre medizinische Versorgung auf akute Erkrankungen. Es spricht ihnen im Regelfall ausschließlich Sachleistungen wie Essenspakete und Kleidergutscheine zu. Nur im Ausnahmefall sollen sie Bargeld erhalten, um ihr Auskommen selbst zu finanzieren.
Eine Reihe von Bundesländern verzichtet mittlerweile darauf, die Flüchtlinge in Lager zu stecken und ihnen Essenspakete zuzuteilen – beim Nachrechnen kam nämlich heraus, daß die zusätzlichen Kosten für die Verwaltung höher liegen, als die Auszahlung von Bargeld und das Überlassen günstiger Wohnungen. Vor allem in Bayern und im Saarland ist das Sammellager aber immer noch Standard.
Der Betrag, den die Flüchtlinge anstatt Gutscheinen und Lebensmittelpaketen erhalten, ist im Gesetz mit 224,97 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen und 132,93 Euro für ein unter sechs Jahre altes Kind beziffert. Die Summe ist seit 1993 nie erhöht worden, obwohl die Inflation in diesem Zeitraum bei weit über 30 Prozent lag. Die Beträge liegen 40 bzw. 47 Prozent unter dem üblichen Hartz-IV-Satz. Erst nach zwei Jahren haben die Betroffenen Anspruch auf den vollen Satz. Die Bundesregierung verteidigt die Regelung als »gruppenbezogene Differenzierung«. Asylbewerber bräuchten sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren, deshalb kämen sie auch mit weniger Geld zurecht, so ihre Logik. Dabei gilt das Gesetz allerdings schon lange nicht mehr nur für Asylbewerber. Mittlerweile sind auch Personen mit einer Duldung, etwa Kriegsflüchtlinge, betroffen. Nach Angaben von Pro Asyl insgesamt rund 80000 Menschen.
Ob die vorgesehenen knapp 225 Euro für ein menschenwürdiges Dasein genügen, wird nun in Karlsruhe entschieden. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat daran erhebliche Zweifel. Die dortigen Sozialrichter haben zwei Klagen von Betroffenen auf dem Tisch und haben sich direkt an Karlsruhe gewandt, weil sie in der Benachteiligung von Asylbewerbern einen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes sehen.
In der mündlichen Verhandlung, die am 20. Juni stattgefunden hatte, erkundigten sich die Verfassungsrichter ausführlich nach der Zusammensetzung der Leistungen. Die sind nämlich freihändig geschätzt. Genau das hat das Bundesverfassungsgericht allerdings in seinem Hartz-IV-Urteil vom Februar 2010 als verfassungswidrig verworfen: Es müsse nachvollziehbar und exakt vorgerechnet werden, wie sich das Existenzminimum zusammensetze, hatten die Richter damals gefordert. Beim Asylbewerberleistungsgesetz ist das bisher nicht erfolgt, so daß zumindest ein Teilerfolg der Kläger zu erwarten ist. Selbst die Bundesregierung hat auf eine Anfrage der Linksfraktion – die seit Jahren die Abschaffung des Gesetzes fordert – eingeräumt, es entspreche nicht den Kriterien des Karlsruher Hartz-IV-Urteils.
Offen ist, ob das Verfassungsgericht nur eine besser nachvollziehbare Berechnung anmahnt oder ob es prinzipiell die Ungleichbehandlung von Asylbewerbern verwirft. Andere Schikanen, wie etwa der Lagerzwang und die Aushändigung von Gutscheinen statt Bargeld, stehen dagegen gar nicht zur Entscheidung.