Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stößt mit seinen Reformplänen für den Verfassungsschutz auf Widerstand. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verweigerte ihre Zustimmung zu Friedrichs Vorhaben und verlangte statt dessen einen nicht näher definierten »beherzten Umbau der Sicherheitsarchitektur«. Auch bei seinen Länderkollegen beißt der Bundesinnenminister auf Granit: Sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) hält den Vorschlag, dem Bundesverfassungsschutz mehr Kompetenzen in den Ländern einzuräumen, für grundgesetzwidrig.
Noch bevor am Dienstag die Sondersitzung der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern (IMK) zum Thema Verfassungsschutzreform zusammentrat, war ein Papier von Friedrich zum Umbau des Geheimdienstes an Medien durchgesickert. Die darin beschriebene Neuregelung von Aufgaben und Kompetenzen der verschiedenen Geheimdienstämter geht erheblich weiter als bislang bekannt.
So plant Friedrich laut Berliner Tagesspiegel ein weiteres Gemeinsames Zentrum aus Polizei und Geheimdiensten, diesmal zur Beobachtung und Bekämpfung von »linkem und ausländischem Extremismus«, das auch Spionage, Sabotage und Angriffe im »Cyberspace« im Auge hält. Es wäre, mit dem bereits vorhandenen Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum und dem Gemeinsamen Zentrum gegen Rechtsextremismus die dritte derartige Instanz. Die zum Kern des Grundgesetzes gehörende Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst würde weiter ausgehöhlt werden.
Das Bundesamt soll künftig nur noch »gewaltgeneigte Bestrebungen und Personen« beobachten. Die Bespitzelung anderer Organisationen, etwa der Linkspartei, will Friedrich an die Länder delegieren. Vor allem aber will der Bundesinnenminister die Landesämter an der kurzen Leine führen. Sie sollen dem Bundesamt ausführlich Rechenschaft über alle ihre V-Leute geben und ihm »sämtliche relevanten Informationen« zu »wichtigen Ereignissen« übermitteln. Das soll nicht nur, wie bisher, bei islamistischem Terror und Neonazigewalt gelten, sondern bei allen »Phänomenbereichen«. Zudem soll das Bundesamt auf eigene Faust in den Ländern spitzeln dürfen. Im Ergebnis würde sich in der Zentrale eine gewaltige Datenmenge auftürmen. Verbindungsbeamte des Bundes sollen die Einhaltung der neuen Bestimmungen kontrollieren. Als »Stärkung der parlamentarischen Kontrolle« verkauft der Bundesinnenminister den Plan, V-Leute von der G-10-Kommission des Bundestages absegnen zu lassen und die Fraktionschefs alle sechs Monate über die Arbeit des Verfassungsschutzes zu informieren. Bei der Pflicht zur Verschwiegenheit über die erhaltenen Informationen bleibt es aber.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßt die Regelungen zu den V-Leuten, insgesamt gehen ihr die Pläne allerdings nicht weit genug: Die Landesämter sollen zusammengelegt und auf den Militärischen Abschirmdienst soll verzichtet werden.
In den Ländern werden diese Pläne als Frontalangriff verstanden. »Eine Verlagerung der Verfassungsschutz-Kompetenzen der Länder an den Bund lehne ich strikt ab«, sagte etwa NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Tagesspiegel. »Eine zentralistische Megabehörde statt parlamentarischer Kontrolle vor Ort ist ein Sicherheitsrisiko«, so Jäger. Auch der derzeitige IMK-Vorsitzende und Landesinnenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU) nannte Friedrichs Pläne »problematisch«. Es dürfe »keinen Verfassungsschutz 1. und 2. Klasse geben«. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hingegen will gar »Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus« von einem einzigen Megazentrum in Berlin beobachten lassen. Die Linksfraktion im Bundestag nannte den Widerstand aus den Ländern gegen Friedrichs Pläne berechtigt, er erfolge aber aus den falschen Motiven. Sie verwies darauf, daß der Untersuchungsausschuß noch längst nicht ausgelotet habe, wie tief die Geheimdienste mit dem NSU-Mördertrio verbandelt waren. Der beste Schutz der Verfassung sei die Abschaffung des Verfassungsschutzes.