Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht ein menschenrechtlicher Skandal. Im konkreten Fall der rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen handelt es sich um EU-Bürger. Sie sind nach dem Europäischen Fürsorgeabkommen wie die Staatsangehörigen aller Bürger aus den Staaten des Europarates Deutschen sozialrechtlich gleichgestellt. Einzige Bedingung ist ein dreimonatiger Voraufenthalt. Ein von der Bundesregierung eingelegter Vorbehalt gegen diese Regelung ist von mehreren Gerichten als unwirksam erkannt worden. Die Unterbringung in einer Notunterkunft wäre also das Mindeste, das diesen Menschen zusteht.
Darüber hinaus ist dieser Ausschluss von Menschen allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit von jeglicher Nothilfe ein eklatanter Verstoß gegen das Menschenwürdegebot und das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Die schwierige finanzielle Lage, in der sich die Stadt Dortmund ganz unumstritten befindet, kann eine solche Menschenrechtsverletzung nicht rechtfertigen. Die Stadt Dortmund muss dafür Sorge tragen, dass Obdachlose gleich welcher Herkunft eine warme Unterkunft und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung gestellt bekommen.
Sollte die Stadt Dortmund eine solche Versorgung Obdachloser aus Rumänien und Bulgarien vorenthalten, um einen weiteren Zuzug aus diesen Ländern durch Abschreckung zu verhindern, ist das ebenfalls nicht mit dem Menschenwürdegebot des Grundgesetzes zu vereinbaren. Wir erinnern an das im vergangenen Sommer ergangene Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Asylbewerberleistungsgesetz. Das Gericht hat in seinem Beschluss deutlich gemacht, dass migrationspolitische Erwägungen das Menschenwürdegebot des Grundgesetzes nicht relativieren dürfen. Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch in Hinblick auf die Nothilfe für Obdachlose.
Das jedenfalls im „Monitor“-Bericht wiedergegebene Argument der Stadtverwaltung, die rumänischen bzw. bulgarischen Obdachlosen seien ja eingereist und hätten daher ihre Notlage selbst verschuldet, ist gegenüber dem grundgesetzlichen Menschenwürdegebot vollkommen nachrangig. Zumal die Betroffenen ja nun genau nicht mit dem Ziel einreisen, in Dortmund in einer Obdachlosenunterkunft unterzukommen, sondern durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft sowohl ihr eigenes Leben in Dortmund als auch das ihrer Verwandten in ihrer Heimat zu sichern.
Auch aus ordnungspolitischer Sicht ist die Abweisung von Obdachlosen in den Notunterkünften in Dortmund fatal. In dem genannten Bericht wird auch dargestellt, wie Kriminelle durch das „Vermieten“ von leerstehenden Häusern an rumänische und bulgarische Migranten zu Geld kommen und so aus ihrer Notlage Profit ziehen. Mit der Weigerung, selbst die betroffenen Migranten zu unterstützen, treibt die Stadt diesen Kriminellen notleidende Menschen in die Arme. Auch hier gilt: die richtige Sozialpolitik ist die beste Prävention gegen Kriminalität.
Wir appellieren daher an Sie, die dargestellte Diskriminierung von nicht-deutschen Staatsangehörigen in den Notunterkünften der Stadt Dortmund umgehend zu beenden. Bitte halten Sie uns über ihr weiteres Vorgehen in dieser Sache auf dem Laufenden.
mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke, MdB, Wahlkreis Dortmund
Utz Kowalewski, Ratsherr der Stadt Dortmund
Berlin/Dortmund, 12. Februar 2013