Die Aufrufe von Flüchtlingsorganisationen, aber auch ihres eigenen Menschenrechtsbeauftragten nach erleichterter Einreise von Kriegsflüchtlingen läßt die Regierung folgenlos verhallen. Stattdessen macht die Bundespolizei Jagd auf Schleuser, die Syrern zur notgedrungen illegalen Einreise verhelfen.
In Deutschland leben 40000 Syrer mit legalem Aufenthaltsstatus. Viele von ihnen wären bereit, auf eigene Kosten Verwandte aus Syrien aufzunehmen, um ihnen wenigstens für die Dauer des Krieges Schutz zu bieten. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), fordert von der Bundesregierung seit Wochen, die Einreise zu Verwandten zu ermöglichen. In etlichen Staaten der Region beantragen Kriegsflüchtlinge bei den deutschen Vertretungen Visa. Doch je blutiger der Krieg in Syrien wird, desto häufiger werden die Papiere verweigert: In der Türkei wurden voriges Jahr 50 bis 60 Prozent aller Anträge abgelehnt, in Ägypten 51 Prozent, im Libanon 28 Prozent. Die Ablehnungsquoten sind damit im Vergleich zu 2011 um das Doppelte bis Zehnfache gestiegen. Die Zahlen gehen aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Und das, obwohl die Bundesregierung selbst davon ausgeht, daß die meisten Flüchtlinge »kurz- oder mittelfristig nach Syrien zurückkehren« wollen.
Zwar sieht das Aufenthaltsgesetz erleichterte Einreisebestimmungen bei einer »außergewöhnlichen Härte« vor – »diese bemißt sich allerdings nicht an den allgemeinen Lebensumständen in einem Herkunftsland, z.B am Kriegszustand«, sondern lediglich an familienspezifischen Kriterien, heißt es in dem Regierungsdokument. Darin wird auch deutlich, daß es sich bei der in der Vergangenheit bekundeten Bereitschaft, mehrere hundert syrische Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland anzusiedeln (»resettlement«), um ein Täuschungsmanöver handelt: Tatsächlich sind es gerade einmal 200 Personen, und es ist kein einziger Syrer darunter – es geht vielmehr um Flüchtlinge, die aus dem Irak, Somalia oder anderen Staaten Schutz suchend nach Syrien geflohen waren und jetzt weiter fliehen müssen. Ohnehin fällt die Zahl von 200 kaum ins Gewicht: Insgesamt sind nach Angaben internationaler Organisationen zwei Millionen Flüchtlinge »intern« in Syrien vertrieben, und fast 700 000 in den Nachbarländern.
Die absurde Situation, daß Kriegsflüchtlinge nicht zu ihren Verwandten gelassen werden, nötigt die Flüchtlinge dazu, sich auf höchst gefährliche Fluchtrouten zu begeben. An der Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland werden immer mehr Syrer aufgegriffen. Viele von ihnen sind auf die Dienste von Schleuserorganisationen angewiesen. Die Boote, die diese Organisationen einsetzen, sind aber häufig nicht seetüchtig. Alleine nach Angaben von Bundespolizisten ertranken voriges Jahr 89 Flüchtlinge in der Ägäis.
Doch statt den Flüchtlingen zu helfen, gehen die deutschen Behörden nun gegen deren Helfer vor. Bei einer von der Bundespolizei koordinierten Razzia wurden Ende Januar bundesweit 37 Wohnungen durchsucht. Es gab sechs Festnahmen, weitere gab es zeitgleich in Frankreich, der Türkei und Griechenland. Nach Angaben der Bundespolizei soll die Schleuserorganisation 270 Syrern die Einreise ermöglicht und dafür jeweils zwischen 4500 und 17000 Euro pro Person kassiert haben. Die »Schleuserbande« habe die »Menschen als Ware angesehen«, äußerte ein Polizeisprecher.
Die Linksfraktion gab in einer Pressemitteilung allerdings zu bedenken, daß es schließlich die Bundesregierung selbst sei, die Flüchtlinge in die Arme solcher Schleuser treibe, »die aus ihrer Not Kapital schlagen wollen«. Die Fraktion fordert die Bundesregierung auf, die deutschen und EU-Grenzen für syrische Flüchtlinge zu öffnen.