Reichstagsbrand: Flammendes Symbol der Demokratiezerstörung

Anrede,

Sie konnten vorher einen Blick von hier ober in den Plenarsaal werfen – genau an dieser Stelle hat es vor 80 Jahren gebrannt.
Ich will jetzt nicht vorwegnehmen, was unser Referent Bernd Langer gleich ausführen wird. Ich möchte aber ein paar Worte dazu sagen, warum es der Fraktion DIE LINKE wichtig ist, an den Brand zu erinnern.
Einige von Ihnen haben vielleicht vorige Woche die ARD-Doku-Fiction „Nacht über Berlin“ gesehen.
Richtig an dem Film war zumindest die Erkenntnis, dass der Reichstagsbrand allemal das Zeug zu einem Krimi hat. Aber er ist, leider, mehr als das.

Der brennende Reichstag ist im wahrsten Wortsinn ein flammendes Symbol für die Zerschlagung der bürgerlichen Demokratie in Deutschland, die zwar nicht erst am 28. 2. 1933 begonnen hat, aber nach dem Brand eine bis dahin ungekannte Rasanz annahm.
Es gab in den letzten Jahren eine gewisse Debatte über die im kriminalistischen Sinn verantwortlichen Täter.
Inwiefern diese Frage mit letzter Gewissheit beantwortet werden kann, erscheint mir fraglich. Politiker sind da wahrscheinlich eher wenig zuständig. Von daher habe ich scharf dagegen protestiert, als Bundestagspräsident Norbert Lammert vor einigen Jahren sich öffentlich darauf festlegte, es seien keinesfalls die Nazis gewesen. Dabei berief er sich ausgerechnet auf ein Buch von Sven Felix Kellerhoff, einem Welt-Redakteur, der für seinen, wenn man so will, Mut zur Wahrheits-Lücke genauso bekannt ist wie für seine extrem konservativen Ansichten.
Der Versuch bundesrepublikanischer Geschichtsschreiber, die Nazis zu entlasten und den niederländischen Anarchisten van der Lubbe als Alleintäter zu präsentieren, ist ja wahrlich nicht neu. Aufgestellt hatte dieses Dogma bereits Rudolf Augstein im Jahr 1959. Damals erklärte der Spiegel-Chef »Über den Reichstagsbrand wird nach dieser Spiegel-Serie nicht mehr gestritten werden. Es bleibt nicht der Schatten eines Belegs, um den Glauben an die Mittäterschaft der Nazi-Führer lebendig zu erhalten« Die angesprochene Serie im Spiegel hatte der pensionierte Verfassungsschutzagent Fritz Tobias mit Hilfe von Altnazis verfasst. Tobias aus dieser Serie entstandenes Buch, dass den Verfechtern von van der Lubbes Alleintäterschaft immer noch als Grundlagenwerk gilt, ist übrigens im vergangenen Jahr passenderweise im rechtsextremen Grabert-Verlag wiederaufgelegt worden.
Bei allen Kontroversen und Unklarheiten über die Frage, wer letztlich die Fackel gehalten hat, ist aber, soweit ich das sehe, völlig unstrittig, dass die Nazis die Nutznießer des Brandes waren und keine Lüge gescheut haben, mit diesem Brand ihre Verbrechen zu rechtfertigen.
Schon deswegen ist ein Erinnern und Gedenken an den Brand bzw. an dessen Opfer notwendig.
Nun kann jede Gedenkpolitik leider auch missbraucht werden, um aktuellen politischen Entscheidungen eine scheinbare Legitimation zu verschaffen. Wir erleben so etwas hier in unmittelbarer Nähe zum Reichstagsgebäude immer wieder.
Zum Beispiel mit dem Bundeswehrgelöbnis am 20. Juli, das jetzt alle zwei Jahre hier vor dem Reichstag stattfindet. Angeblich wird damit des Attentates auf Hitler gedacht. Tatsächlich ist das eine ganz perfide Form einer Instrumentalisierung des Gedenkens. Die Bundesregierung nutzt das Gelöbnis, um die Bundeswehr und damit zugleich ihre Kriegspolitik in Szene zu setzen und dafür öffentliche Legitimation einzuholen. Das wird der Bedeutung des 20. Juli aber nicht gerecht. Zugleich müssen wir feststellen, dass darüber geschwiegen wird, dass es die Nazi-Wehrmacht war, die das Zeremoniell des Gelöbnisses in seiner noch heute üblichen Form gestaltet hat. Ebenso wird darüber geschwiegen, welche Rolle die späteren Hitler-Attentäter des 20. Juli eigentlich im Jahre 1933 gespielt haben.

Das zeigt, dass Gedenken eine hochpolitische Angelegenheit ist.
Deswegen ist für mich der Reichstagsbrand ein Anlass, sich die Etappen zu vergegenwärtigen, die es damals auf dem Weg in Weltkrieg und Holocaust gegeben hat. Das bedeutet zugleich, sich die Fehler der antifaschistischen Kräfte zu vergegenwärtigen, die es nicht vermocht haben, sich dieser Entwicklung in den Weg zu stellen. Warum waren SPD und KPD, Gewerkschaften und Arbeitersportvereine so schlecht vorbereitet? Warum haben die bürgerlichen Abgeordneten dem Druck nicht standgehalten, sondern am 24. März dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt?

Ich will vorsichtig sein, was das Zeichnen historischer Parallelen zu heute angeht. Aber aus den Erfahrungen des Nazifaschismus und seiner Entstehungsgeschichte ziehe ich natürlich einen starken Teil der Motivation für meine politische Arbeit.
Dazu gehört zum Beispiel, es nicht hinnehmen zu wollen, wenn die Rechte des Parlaments zugunsten der Exekutive zusammengestrichen werden – das war ja ein Prozess, der 1933 nicht erst angefangen hatte, sondern schon zum Abschluss gekommen war. Heute leben wir natürlich nicht im Zeitalter von Präsidialdekreten und Notverordnungen, aber in der poltischen Praxis schleicht sich eine Hörigkeit der Abgeordneten von Regierungsparteien gegenüber der Bundesregierung ein, die es dem Parlament immer schwerer macht, seiner Kontrollaufgabe nachzukommen.

Eine weitere Lehre aus dem Faschismus ist, dass insbesondere die Macht bzw- Gewaltmittel der Regierung kontrolliert werden müssen. Das heißt aber auch, dass Polizei und Geheimdienste strikt zu trennen sind. Nie wieder Geheime Staatspolizei. Heute erleben wir, dass in Form Gemeinsamer Zentren und Gemeinsamer Dateien zwischen Kriminalämtern und Verfassungsschutzbehörden ein immer umfangreicherer Informationsaustausch etabliert wird. Die Trennung von Geheimen und Kriminalen wird zur bloßen Formalie. Wozu ein – per se unkontrollierbarer – Geheimdienst fähig ist, und welchen Nutzen ausgerechnet wieder Nazis davon haben, davon haben wir in Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen einen kleinen Eindruck erlebt.

So, damit wollte ich kurz den politischen Kontext umreißen, in dem die Fraktion DIE LINKE diese Veranstaltung heute sieht. Ich übergebe jetzt das Wort an unseren Referenten Bernd Langer.