Jetzt ist es wichtig, dass die Konfliktparteien erste Schritte gehen um das gegenseitige Vertrauen zu fördern. Ein beidseitiger Waffenstillstand und die beidseitige Freilassung von Gefangenen wären sicherlich erste gute Schritte. Ein Rückzug der Guerilla und deren etwaige Eingliederung in die Gesellschaft kann, wie in ähnlichen Konfliktlösungsprozessen praktiziert, erst nach einem weitgehenden aufeinander zugehen – und nicht wie unrealistischer Weise von einigen Kräften gefordert zu Anfang des Dialogs – angestrebt werden.
„Dass die türkische Regierung in einer solchen Situation die juristischen und militärischen Angriffe auf die kurdischen AkteurInnen ausweitet, steht im Gegensatz zum Dialog.“
In der von den Nachwehen eines Erdbebens im Oktober 2011 geschüttelten Stadt Van strebt die Staatsanwaltschaft seit letzter Woche Vereinsverbote gegen 10 große kurdische zivilgesellschaftlich Organisation an, nachdem dort bereits letztes Jahr der Oberbürgermeister Bekir Kaya, mehrere Bezirksbürgermeister sowie Parteivorsitzende und StadträtInnen der BDP aufgrund „freier Meinungsäußerungen“ inhaftiert wurden. Unter den Organisationen im Fokus der Verbotsbestrebungen befinden sich u.a. der Angehörigenverband der politischen Gefangenen (Tuyad Der) und der Verband der InlandsmigrantInnen (Göc Der). Im Herbst dieses Jahres stehen die Kommunalwahlen an. Die AKP will anscheinend durch politischen und existenziellen Druck sowie juristische Sanktionen die Mehrheit in der zweitgrößten kurdischen Metropole zurückgewinnen. Nach dem Erdbeben, dass ca. ein Drittel der Stadt zerstörte, wurden Hilfsmittel seitens der Regierung lediglich an Anhänger der AKP verteilt. Auch die jetzt angestrebten Sanktionen sollen die kurdische Bevölkerung offenbar der Grundlage des Zusammenlebens berauben. Auch in weiteren Städten halten Verhaftungswellen gegen KurdInnen auf Grundlage haltloser Vorwürfe an.
Zudem werden seit mehr als zehn Tagen täglich Angriffe auf vermeintliche Guerillastellungen der PKK im Nordirak von der türkischen Luftwaffe geflogen. Es ist zu befürchten, dass durch ein solches Vorgehen und Angriffe auf Guerillaeinheiten auf türkischem Staatsgebiet Verteidigungs-maßnahmen der Guerilla provoziert werden sollen, die folglich als Dialoghindernis inszeniert werden können.
Nach den politischen Morden an drei kurdischen ExilpolitikerInnen durch einen oder mehrere Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT in Paris, wurden vor einigen Tagen PolitikerInnen des Bündnisses linker türkischer und kurdischer Parteien HDK bei einem Besuch in der Schwarzmeerregion von Mitgliedern einer Organisation des „Staates im Staate“ mit Gewalt angegriffen, während die Sicherheitskräfte tatenlos zuguckten.
„Wir fordern die EU und die Bundesregierung auf, politischen Druck auf die türkische Regierung auszuüben die Vereinigungsfreiheit zu gewähren und die juristische und militärische Aggression gegen kurdische Akteure zu beenden. Ernsthafte Schritte zum Dialog können nur durch Beendigung der Spirale von Repression und Gewalt gegangen werden.“
Andrej Hunko, Mitglied des Bundestages (MdB) DIE LINKE, Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE
Marion Padua, Stadträtin in Nürnberg, Linke Liste
Dr. Peter Strutynski, Bundesausschuss Friedensratschlag
Yilmaz Kaba, Landesvorstand DIE LINKE Niedersachsen
Martin Dolzer, Soziologe
Hamide Akbayir, DIE LINKE NRW