266 Personen aus dem Bereich »politisch motivierte Kriminalität rechts« werden mit Haftbefehl gesucht. Das teilte die Bundesregierung am Dienstag auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion mit. Ende Juni vorigen Jahres war die Zahl noch mit 118 angegeben worden.
Die Zahl 266 gibt den Stand von November 2012 wieder. Seither haben sich 84 Fahndungen erledigt, die meisten davon vermutlich – genaue Angaben gibt es nicht – weil die Gesuchten zwischenzeitlich ihre Haft angetreten haben. Während die Sicherheitsbehörden jederzeit nachvollziehen können, wenn ein Haftbefehl aufgehoben wird, ist es ihnen nicht möglich zu sagen, wie viele seit November neu hinzugekommen sind. Der Stand zum Zeitpunkt der Antwort war 182 plus x.
Die Bundesregierung weist darauf hin, die neuen Zahlen seien nicht mit jenen des vergangenen Jahres zu vergleichen, weil sich die Erfassungsmethode grundsätzlich geändert habe. Bislang wurden die Haftbefehle nur mit jenen Personen abgeglichen, die in den Polizeidatenbanken als rechtsmotivierte Straftäter »markiert« waren. Es habe sich aber gezeigt, daß die Vergabe dieser Markierung in Bund und Ländern »nicht einheitlich« erfolgt sei. Deshalb wurde jetzt erstmals die vom BKA geführte Datei »Innere Sicherheit« herangezogen, in der – jedenfalls theoretisch – sämtliche Beschuldigte und Verdächtige politisch motivierter Straftaten gespeichert sind. Dadurch habe man, so die Regierung, »eine bessere Gewähr für ein höheres Maß an Vollständigkeit«. Anders ausgedrückt: Bislang wurden schlichtweg nicht alle polizeilichen Datenbanken genutzt, die zur Verfügung standen – ein klarer Hinweis darauf, daß die Anlage von immer mehr Datensammlungen mitnichten einen Gewinn an Sicherheit darstellt.
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist gerade mal ein Drittel der flüchtigen Neonazis bekannt. Von diesen wiederum gelten neun als Mitglieder von Kameradschaften, fünf sind der NPD bzw. deren Umfeld zuzurechnen. An der Schwierigkeit, die zahlreichen Datenbanken sinnvoll auszuwerten, wird auch die inzwischen eingerichtete Datei zu rechtsextremen Gewalttätern nichts ändern. Dort sind derzeit 30 Neonazis erfaßt. Die Datei speist sich aus Informationen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Daß diese mitunter dazu neigen, den politischen Charakter einer Straftat zu ignorieren, ist schon lange bekannt.
Man arbeite nun an einer Vereinheitlichung der Erfassungskriterien, so die Bundesregierung. Ausdrücklich räumt sie ein, daß die jetzt vorgelegten Zahlen »als nicht abschließend zu betrachten« seien – im Klartext: Weit über ein Jahr nach Auffliegen der NSU-Mordserie gibt es immer noch keine verläßliche Übersicht, wie viele Neonazis tatsächlich untergetaucht sind. Es sind aber auf jeden Fall mehr als 266. Bei alldem pflegt die Bundesregierung weiterhin ihre Extremismustheorie: Man wolle künftig offene Haftbefehle »phänomenübergreifend« erheben – also von »Rechts-« genauso wie von »Linksextremisten«.
Schwer einzuschätzen ist die Gefahr, die von den Gesuchten ausgeht. Manche werden nur gesucht, weil sie ihren Unterhalt oder eine Geldstrafe etwa wegen Schwarzfahrens nicht bezahlt haben. Nach 49 wird wegen einer Gewalttat gefahndet. Als prinzipiell gewalttätig sind im polizeilichen Informationssystem 65 der Gesuchten vermerkt.