2.+3. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes der Fraktion der SPD auf 17/56 und eines Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der sozialen Situation von Menschen, die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben auf 17/6167
Wir debattieren hier heute zwei Gesetzentwürfe, die sich mit der Situation von Menschen befassen, deren Aufenthalt durch das deutsche Aufenthaltsrecht illegalisiert wurde. Beide Gesetzentwürfe wollen die menschenrechtliche Lage von Menschen ohne Aufenthaltsstatus verbessern. Derzeit müssen diese Illegalisierten bei vielen Kontakten mit Behörden damit rechnen, dass ihr irregulärer Aufenthalt aufgedeckt wird und sie in die Abschiebemaschinerie von Ausländerbehörden und Bundespolizei geraten.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion setzt bei der deutlichen Einschränkung der Meldepflichten im Aufenthaltsgesetz an. Bislang sind Mitarbeiter aller öffentlichen Stellen verpflichtet, Menschen ohne Aufenthaltsstatus an die Ausländerbehörden zu melden, wenn sie in Ausübung ihrer Aufgaben Kenntnis von ihrem Status erhalten. Lediglich Schulen und Kindertageseinrichtungen sind mittlerweile von dieser Pflicht ausgenommen worden. Aber bei Zugang zu Gesundheitsversorgung oder zu Arbeitsgerichten, um entgangenen Lohn einzuklagen, greift die Meldepflicht weiter und verhindert so die effektive Wahrnehmung von Menschenrechten. Deshalb begrüßen wir den Gesetzentwurf der SPD als einen Schritt in die richtige Richtung. Er will die Meldepflicht auf die Polizei- und Ordnungsbehörden beschränken.
Allerdings übersieht der Gesetzentwurf der SPD dabei die weiter bestehenden Meldepflichten im Sozialrecht. Der Gesetzentwurf der Grünen will auch diese abschaffen, und damit wäre tatsächlich ein Schritt getan, damit Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität die sozialen Menschenrechte auch ohne Angst vor Aufdeckung und Abschiebung wahrnehmen können.
Leider beantwortet das noch nicht die Frage, wer dann beispielsweise medizinische Behandlungen bezahlen soll. Die medizinische Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus ist aus menschenrechtlicher Perspektive sicherlich das drängendste Problem. Aber wer keinen legalen Aufenthaltsstatus hat, der kann auch keine Krankenversicherung abschließen, weil auch hier die Meldepflicht greift. Modelle für eine medizinische Versorgung von Illegalisierten, beispielsweise Fonds oder ein durch die Sozialämter ausgegebener anonymisierter Krankenschein, gibt es bereits.
Dass die Bundesregierung an ihrer dogmatischen Haltung festhält, den Aufenthalt von Menschen ohne legalen Status allein aus ordnungspolitischer Perspektive betrachten zu wollen, ist uns schon lange bekannt. Aber auch SPD und Grüne sind von dieser inhumanen Sichtweise nicht frei, sie dokumentiert sich auch in den vorliegenden Gesetzentwürfen. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der SPD: „Die Durchsetzung der Ausreisepflicht dient der öffentlichen Ordnung.“ Angesichts beispielsweise der afrikanischen Libyen-Flüchtlinge, die sich derzeit in Hamburg aufhalten und ebenfalls ausreisepflichtig sind, stellt sich doch die Frage: was ist das für eine öffentliche Ordnung, in der Menschen gezwungen werden, sich in absolut menschenunwürdige Lebensbedingungen zu begeben? Hier fehlt leider jede kritische Reflexion auf die rechtlichen und politischen Bedingungen, unter denen Menschen in Deutschland ausreisepflichtig werden. Der Gesetzentwurf der Grünen bleibt dieser ordnungspolitischen Perspektive im Umgang mit den Opfern von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung verhaftet: Sie sollen nur dann ein Aufenthaltsrecht erhalten, wenn ihre Aussagen strafrechtlich verwertbar sind.
Trotz dieser Kritikpunkte wird DIE LINKE den vorliegenden Anträgen zustimmen.