Rede zur 2.+3. Beratung des Entwurfs des Bundesrates eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (17/13424)
In dieser Woche reden wir erneut über eine gesetzliche Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete. Dass offenkundig weiterer Handlungsbedarf besteht, zeigt schon die Vielzahl der Debatten, Briefe und Appelle zu diesem Thema. Aber auch die unverändert hohe Zahl geduldeter Menschen (etwa 85.000), unter ihnen über 20.000 Kinder und Jugendliche, belegt, dass wir endlich zu einer wirksamen humanitären Bleiberechtsregelung kommen müssen. Diesmal also hat derBundesrat einen Vorschlag gemacht. Bei aller Kritik am Detail der Regelungen unterstützt DIE LINKE diesen Gesetzentwurf, weil dadurch zumindest für einen Teil der langjährig Geduldeten eine Perspektive geschaffen würde.
Der Vorschlag des Bundesrates knüpft an bereits bestehende gesetzliche Bleiberechtsregelungen an, zum einen die 2009 geschaffene Regelung des § 104a Aufenthaltsgesetz für eine stichtagsgebundene so genannte Altfallregelung und die 2011 geschaffene Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche im §25a Aufenthaltsgesetz.
Die so genannte Altfallregelung aus dem Jahr 2009 soll zu einer allgemeinen Bleiberechtsregelung ausgebaut werden, die vorgeschlagene Regelung enthält also keinen Stichtag mehr. Bedingung für einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis ist zunächst ein mindestens sechsjähriger Voraufenthalt bei Familien oder acht Jahre bei Alleinstehenden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist dann an ein Bündel von Anforderungen zum Nachweis der nachhaltigen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse geknüpft. Gefordert wird die überwiegend eigenständige Lebensunterhaltssicherung, was angesichts des weitgehenden Ausschlusses dieser Gruppe vom Arbeitsmarkt eine hohe Hürde darstellt. Eine unangebracht hohe Hürde wird auch mit Sprachanforderungen auf dem Niveau A2 geschaffen, denn die Betroffenen wurden von den Integrationskursen systematisch ausgegrenzt. Anders als in der Regelung von 2009 deutet der Entwurf zumindest an, dass die Anforderungen an die Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht im Einzelnen, sondern in der „Gesamtschau“ erfüllt sein müssen. Insbesondere für Familien, Alleinerziehende, Auszubildende und Studierende wird auch ein vorübergehender Sozialhilfebezug hingenommen. Dies macht es den Ausländerbehörden zumindest möglich, die Regelung großzügig anzuwenden. Ob das dann auch in der Praxis der Fall wäre, darüber kann nur spekuliert werden, nach den bisherigen Erfahrungen mit den Regelungen zur Beendigung von Kettenduldungen ist jedoch Skepsis angesagt.
Der Gesetzentwurf verzichtet leider auch nicht auf eine Reihe von Ausschlusskriterien, etwa Verurteilungen zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei ausländerrechtlichen Verstößen. Solche Strafen sind schnell erreicht, z.B. wenn Menschen mehrfach gegen die Residenzpflichtauflagen verstoßen haben oder aufgrund des fehlenden Arbeitsmarktzugangs einer irregulären Beschäftigung nachgegangen sind. Vermeintliche Täuschungen über die Identität und fehlende Mitwirkung sollen ebenfalls zum Ausschluss vom Bleiberecht führen. Ein solcher Vorwurf wird in der ausländerbehördlichen Praxis jedoch viel zu vorschnell und häufig zu unrecht erhoben. DIE LINKE fordert deshalb bereits seit vielen Jahren eine großzügige humanitäre Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete, ohne strenge Ausschlussregeln . Der Vorschlag des Bundesrates ist leider allzu engherzig und restriktiv, um das Problem der Kettenduldungen wirksam und im Interesse der Menschen beenden zu können.
Es fehlt im Übrigen auch eine Regelung, die das Entstehen von Kettenduldungen bereits im Ansatz verhindert. Ursprünglich sollte der § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes diese Aufgabe übernehmen. Doch die Ausformulierung durch den damaligen rot-grünen Gesetzgeber war schon im Ansatz missglückt, weil an dem Kriterium der unverschuldeten Ausreise angeknüpft wurde – statt wie zuvor an der Unmöglichkeit der Abschiebung. DIE LINKE hat hierzu in einem Gesetzentwurf eine Korrektur vorgeschlagen, die leider keine Mehrheit fand (vgl. Bundestagsdrucksache 17/1557).
Der Gesetzentwurf des Bundesrates will zum zweiten im Rahmen der Regelung für gut integrierte Jugendliche die geforderte Voraufenthaltszeit von sechs auf vier Jahre absenken. Allerdings hält er auch an dieser Stelle an der Ausschlussklausel fest, dass den Jugendlichen vermeintliche Täuschungen über ihre Identität oder fehlende Mitwirkung bei der Abschiebung als Grund vorgehalten werden können, ihnen ein Bleiberecht zu verweigern. Wohlgemerkt, es sind Handlungen der Eltern, die den Jugendlichen hier vorgehalten werden, die sie also selbst gar nicht zu verantworten haben. Die Eltern der Jugendlichen, die in den Genuss dieser Regelung kommen, müssen für eine Aufenthaltserlaubnis auch weiterhin einen eigenständigen Lebensunterhalt nachweisen. Damit wird für die Jugendlichen eine belastende Situation geschaffen, in der sie für sich eine Perspektive für ihr Leben in der Bundesrepublik schaffen können, der Aufenthaltsstatus der Eltern aber weiterhin prekär bleibt. Auch dies ist ein Argument für eine Bleiberechtsregelung ohne weitere Vorbedingungen, die wie von der LINKE gefordert allen Geduldeten nach drei (Familien) oder fünf (Alleinstehende) Jahren ein dauerhaftes Bleiberecht gewährt. Für eine solche humanitäre und großzügige Bleiberechtsregelung wird DIE LINKE auch in der kommenden Wahlperiode streiten.