Die Asylbewerberzahlen steigen – und CDU-Politiker reagieren mit den üblichen Reflexen: Als »alarmierend« bezeichnete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Entwicklung, als er am Mittwoch die neuesten Zahlen vorlegte. Sein Parteifreund Wolfgang Bosbach, Chef des Bundestagsinnenausschusses, warnte in der Welt (Donnerstagausgabe) vor einer Aufhebung des Arbeitsverbotes für Flüchtlinge, weil dann noch mehr »nach Deutschland strömen« würden.
9516 Menschen haben im Juli einen Asylantrag gestellt, etwa doppelt so viele wie im Vorjahresmonat. Insgesamt waren es in diesem Jahr bislang über 52000, bis Jahresende rechnet Friedrich mit über 100000 Gesuchen. Die meisten kommen aus Rußland, Syrien, Serbien und Afghanistan. Die Mehrzahl der Flüchtlinge aus Rußland sind Tschetschenen, die über Polen nach Deutschland einreisen und deswegen nach Polen zurückgeschickt werden sollen. Dort erhalten sie aber keine psychologische Betreuung, auf die viele von ihnen aufgrund traumatischer Erlebnisse wie Folter angewiesen wären. Friedrich sorgt sich aber ausschließlich darum, daß unter den Tschetschenen der eine oder andere Islamist sein könnte.
Die Flüchtlingsorganisation »Pro Asyl« erklärte, alarmierend sei »nicht die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland«, sondern »die Situation der Flüchtlinge vor den Toren Europas«. Während die im Mai beschlossene Aufnahme von 5000 Syrern in der BRD weiterhin nur schleppend anläuft, haben die Nachbarländer des Bürgerkriegsstaates bereits fast zwei Millionen Menschen aufgenommen. Nach Angaben von Amnesty International werden syrische Flüchtlinge an der griechischen Grenze brutal zur Rückkehr in die Türkei gezwungen, selbst, wenn sie Asyl beantragt haben.
Mit Blick auf den Anstieg der Zahlen kündigte Friedrich nun an, die Asylverfahren zu beschleunigen. Tatsächlich verlaufen diese immer schleppender. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit hat sich von 5,6 Monaten im zweiten Quartal 2012 auf 7,9 Monate im vergangenen Quartal fast verdoppelt. Vorrangig bearbeitet werden Asylanträge von Serben und Montenegrinern, die ihre – meist ablehnenden – Bescheide schon nach zwei Monaten erhalten, um dann schnell abgeschoben werden zu können. Auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag teilte die Regierung zugleich mit, daß Afghanen am längsten warten müssen: Über 15 Monate. 2012 waren es noch acht Monate gewesen. Ebenfalls verlängert haben sich die Bearbeitungszeiten für Anträge iranischer und pakistanischer Asylsuchender. Alleinreisende Minderjährige müssen im Schnitt elf Monate auf einen Bescheid warten.
Längere Bearbeitung heißt dabei nicht unbedingt mehr Sorgfalt: Afghanen, Iraner und Pakistanis, die vor Verwaltungsgerichten gegen Ablehnungsbescheide klagen, erhalten dort in fast 40 Prozent der Fälle recht. Im Durchschnitt aller Widerspruchsverfahren sind es nur zehn Prozent. Die Linke forderte deshalb vom Bundesinnenminister, für ausreichend Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und faire Verfahren zu sorgen.
Bosbach klagte, die Kommunen hätten inzwischen »die Grenzen der Belastbarkeit erreicht«. Hilfe vom Bund bot er aber nicht an. Er will sich lediglich für eine Beibehaltung des diskriminierenden und stigmatisierenden Arbeitsverbotes für Asylbewerber starkmachen, dessen Aufhebung seit Jahren von Flüchtlingsinitiativen und der Linkspartei gefordert wird.
Doch unter den von der Abschreckungspolitik der deutschen Regierung Betroffenen wächst der Widerstand. Inzwischen fordern Flüchtlinge in zahlreichen Städten der Bundesrepublik die Abschaffung des Arbeitsverbotes, der Residenzpflicht und anderer Schikanen. Mit Demonstrationen, Hungerstreiks und Zeltlagern unter anderem in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Eisenhüttenstadt, Bitterfeld protestieren sie gegen ihre Diskriminierung und Kriminalisierung.