Die Innenminister der Länder haben im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern ein weiteres Aufnahmekontingent für 10000 syrische Flüchtlinge beschlossen. Damit beträgt deren Gesamtzahl nun 20000. Wie am Rande der Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) in Bonn bekannt wurde, sind von den im Juni und Dezember festgelegten Kontingenten von je 5000 Plätzen bislang 6000 Menschen tatsächlich eingereist. Über die zusätzlich von den Ländern eingerichteten Aufnahmeprogramme für in Deutschland lebende Syrer, die vollständig für den Lebensunterhalt ihrer Verwandten aufkommen können, haben bis jetzt 5500 Flüchtlinge das erforderliche Visum erhalten. Für diese Gruppe haben die Innenminister nun entschieden, die Krankenkosten zu übernehmen. Das ist eine wesentliche Entlastung der aufnahmebereiten Familien.
Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen haben den Beschluß der Innenminister einhellig kritisiert. Das Kinderhilfswerk terre des hommes forderte eine drastische Erhöhung des Kontingents. Pro Asyl verlangte, alle in Deutschland lebenden Syrer müßten ihre Verwandten zu sich holen können. Die Auswahl über ein Kontingent sei »de facto ein Lotteriespiel«. Dies treibe die Flüchtlinge in die Hände von Schleppern, die sie dann über das Mittelmeer nach Europa brächten. Auch Die Linke kritisierte, der »zaghafte Aufnahmebeschluß der Innenministerkonferenz treibt die Menschen in die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer«. Wie aus einer Presseinformation des Bundesinnenministeriums hervorgeht, soll nun anscheinend auch der Druck auf die anderen EU-Staaten erhöht werden, sich an einem gemeinsamen europäischen Aufnahmeprogramm zu beteiligen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) forderte: »Statt sich hinter Stacheldraht zu verschanzen, brauchen wir ein gesamteuropäisches Aufnahmeprogramm, das den Menschen schnell und wirksam hilft.« Dieser Satz ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil die SPD sich bislang nicht als scharfe Kritikerin der EU-Abschottungspolitik hervorgetan hat.
Am Rande der IMK wurde in Bonn der Preis »Abschiebeminister des Jahres« an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verliehen. Nelli Foumba Soumaoro von der Initiative »Jugendliche ohne Grenzen«, die den Preis seit einigen Jahren verleiht, erklärte zur Begründung: »Der Bundesinnenminister plant mit einem Gesetzentwurf, die Abschiebehaft auszuweiten und die versprochene Bleiberechtsregelung durch Aufenthaltsverbote auszuhebeln.« Darüber hinaus mache er Stimmung gegen Flüchtlinge aus den Balkanländern und erkläre sie pauschal zu Armutszuwanderern.
Die Innenminister haben außerdem beschlossen, die Ausreise deutscher Dschihadisten über die Türkei nach Syrien zum Anlaß für neue Verschärfungen zu nehmen. Sie wollen prüfen, wie das Personalausweisrecht verändert werden kann, um Ausreisen auf diesem Weg zu verhindern. Neben der Überwachung und Repression gegen die salafistische Szene setzen die Innenminister auch auf den Aufbau eines länderübergreifenden Präventionsnetzwerks gegen Salafismus.
In Richtung gewaltbereiter Fußballfans waren die Töne wieder einmal martialisch: »Jeder Gewalttäter muß spüren, daß ihm die Polizei in ganz Deutschland auf den Füßen steht«, so IMK-Vorsitzender Jäger. Bundesweite Stadionverbote sollen durch bessere Vernetzung der Polizeibehörden durchgesetzt werden, außerdem sollen Tatverdächtige sich an Spieltagen ihres Vereins bei der örtlichen Polizei melden müssen.
Auch gegen den »Linksextremismus« wollen die Innenminister aktiv werden: Es soll ein aktuelles Lagebild erstellt werden. »Danach werden wir klarer sehen, wie wir auch den Linksextremismus bekämpfen können«, erklärte dazu der Vizevorsitzende der IMK Lorenz Caffier (CDU). Man kann gespannt sein, mit welchen neuen Erkenntnissen dieses Lagebild aufwarten wird.