Die Führung von ISIS erklärte es für „helal“ (für glaubensbedingt richtig) die Betroffenen zu vernichten, um einen islamischen Gottesstaat zu erreichten. ISIS rief seitdem mehrfach Ultimaten aus und forderte ezidische, armenische, kurdische oder christliche Familien auf, Regionen, die unter Kontrolle der fanatischen Glaubenskrieger stehen, innerhalb von 24 Stunden zu verlassen – andernfalls würden sie zwangsislamisiert oder getötet. Immer wieder berichten Augenzeugen in diesem Zusammenhang über systematische Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen, Vertreibung und „Zwangskonvertierungen“. Davon sind auch unzählige Frauen und Kleinkinder betroffen. Auch die Zwangsverstümmelung von Frauen und Mädchen zwischen 12 und 48 Jahren wurde angekündigt. Lokale Quellen berichten, dass ISIS mit der Einnahme von Şengal beabsichtigt die Region von Mosul über Tal Afar und Şengal in Richtung Westen nach Rojava (Nord-Syrien) als zusammenhängendes Gebiet zu erobern.
In Kobanê leistet die YPG, die Verteidigungskräfte der von KurdInnen der PYD (Partei der demokratischen Einheit) dominierten demokratischen Selbstverwaltung in Rojava, Widerstand und verteidigt die Region gegen intensive Angriffe der ISIS. Die Islamisten hatten besonders in der Region Mossul durch den kampflosen Rückzug der irakischen Armee Panzer und schwere Waffen erbeutet, die sie jetzt in Syrien einsetzen. Im Nordirak kämpfen die Peschmerga der KDP (Demokratische Partei Kurdistans) und PUK (Patriotische Union Kurdistans) in einigen Regionen gegen ISIS, aus anderen Regionen haben sie sich zurückgezogen. An der irakisch-syrischen Grenze verteidigen mittlerweile Einheiten der YPG und Peschmerga die Bevölkerung gemeinsam gegen die „Gotteskrieger“.
Am Sonntag eroberten Kämpfer der ISIS Teile der im Nordirak an der syrischen Grenze gelegenen Stadt Sinjar, die hauptsächlich von EzidInnen bewohnt wird, nachdem sich die Peschmerga der KDP von dort zurückgezogen hatten. Die ezidische Bevölkerung forderte mehrfach die YPG sowie die HPG (Guerilla der PKK) dazu auf, die Stadt zu verteidigen. Bisher wurden die Wege dafür seitens der KDP allerdings nicht freigegeben. Unterdessen fungiert berichten des türkischen Menschenrechtsvereins IHD zufolge das nahe des türkischen Gaziantep gelegene Karkamış Flüchtlingscamp an der Grenze zu Rojava als logistisches Zentrum für die ISIS.
„Wir sind sehr besorgt über die Situation im Nordirak und Nordsyrien (Rojava). ISIS vertritt ein menschenverachtendes und frauenfeindliches Weltbild. Die Regierungen der USA und die EU stützen aus geostrategischen Interessen das Vorgehen der Islamisten indirekt und lassen z.B. zu, dass die Türkei ISIS seit Monaten und auch weiterhin infrastrukturell und militärisch unterstützt. Das ist inakzeptabel“, erklärt Ulla Jelpke, Mitglied im Bundestag, DIE LINKE.
„Im `Greater Middle East Project´der US Regierung und in außenpolitischen Konzepten der EU ist die möglichst kleingliederige neo-koloniale Aufteilung des Mittleren Ostens und Nordafrikas anhand von ethnischen, religiösen und clanbedingten Spaltungslinien formuliert. Momentan werden diese Konzepte, wie schon zuvor in Libyen, skrupellos mit Hilfe von Al Quaida nahen Gruppen umgesetzt. Das ist mehr als zynisch und kann im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine zu einem `Dritten Weltkrieg´ führen,“ kritisiert Martin Dolzer, Menschenrechtler und Soziologe, DIE LINKE Hamburg.
„Die Verbrechen von ISIS gegen EzidInnen, ChristInnen, AssyrerInnen, KurdInnen, ArmenierInnen sowie weitere religiöse und ethnische Gruppen dürfen nicht weiter ignoriert werden. Alle humanistischen Kräfte sind aufgefordert, darauf aufmerksam zu machen und wirksame Schritte zum zurückdrängen der menschenfeindlichen Gotteskrieger´ zu entwickeln. Dafür wäre sicherlich auch sinnvoll, wenn die unterschiedlichen kurdischen Parteien zusammenarbeiten “, fordert Barbara Cárdenas, Mitglied des Hessischen Landtags, DIE LINKE.
Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE
Barbara Cárdenas, Mitglied des Hessischen Landtags, DIE LINKE
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Britta Eder, Rechtsanwältin
Martin Dolzer, Menschenrechtler und Soziologe, DIE LINKE Hamburg
Yilmaz Kaba – Mitglied es Vorstandes der Ezidischen Vereine in Deutschland e.V.