In der Unions-SPD-Regierungskoalition wird über Waffenlieferungen an die gegen den selbsternannten »Islamischen Staat« (IS) kämpfenden kurdischen Verbände im Nordirak debattiert. Im Gespräch sind Handfeuerwaffen sowie Panzerabwehrraketen. War bislang davon die Rede, Waffen den Peschmerga – Truppen der kurdischen Regionalregierung im Nordirak – zu überlassen, so hatte CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff am Wochenende auch die in Deutschland verbotene und auf der EU-Terrorliste geführte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ins Gespräch gebracht. Deren Guerilla sowie die mit ihr verbündeten Volksverteidigungskräfte (YPG) aus dem kurdischen Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Syrien haben in den letzten Wochen Zehntausenden Flüchtlingen das Leben gerettet. Entscheidend sei, daß kurdische Milizen die Anhänger des IS bekämpfen und verfolgte Minderheiten schützen, sich aber klar für die Stabilisierung des Irak als Gesamtstaat einsetzen, forderte der am Wochenende gemeinsam mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder in den Nordirak geflogene Politiker. »Wenn neben den Peschmerga auch die PKK Ausrüstungshilfe will, muß sie sich zuerst dazu eindeutig bekennen.« Hier müßten die Peschmerga außen vor bleiben, hat doch der kurdische Präsident Masud Barsani ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Provinzen vom Irak angekündigt. Dagegen tritt die PKK für Selbstverwaltung innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen ein. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verteidigte zwar Waffenlieferungen an die Peschmerga, trotz Risiken wie den kurdischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Er zeigte sich aber irritiert über Schockenhoffs Vorschlag angesichts des deutschen Verhältnisses zur Türkei. Die Militärhilfe werde sich im Rahmen einer UN-Resolution bewegen, die diese nur mit Zustimmung der Zentralregierung in Bagdad gestatte, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im ARD-Sommerinterview. »Die PKK kommt in diesem Zusammenhang nicht in Frage als Empfänger von Waffen.«
Während sich Grünen-Chef Cem Özdemir für Waffenlieferungen an »die Kurden« aussprach, bekräftigte der Linksfraktionsvorsitzende Gregor Gysi die grundsätzliche Ablehnung seiner Partei zu Rüstungsexporten. Statt dessen sprach sich Gysi für eine Überprüfung der Einstufung der PKK als terroristische Organisation aus.
Rufe nach Waffen kommen derzeit nur vom kurdischen Präsidenten Barsani. Die PKK hat dagegen bislang gar keine derartigen Wünsche geäußert. PKK-Führungskader Cemil Bayik erklärte lediglich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Verweis auf die seit zwei Jahren erfolgreich gegen den IS in Syrien kämpfenden Volksverteidigungseinheiten YPG, die Dschihadisten ließen sich nur besiegen, wenn »jene Kräfte mit Waffen ausgestattet werden, die am wirksamsten gegen die Terrorgruppe vorgehen«. Sollte der Westen allein auf Barsanis Peschmerga setzen, bestände die Gefahr, daß diese Waffen am Ende in die Hände der Dschihadisten fielen.
Ausgerechnet am 1. September – dem 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges – soll der Bundestag in einer Sondersitzung über die Waffenlieferungen beraten. Abstimmen über diesen Präzedenzfall einer Waffenlieferung in ein Kriegsgebiet dürfen die Abgeordneten nicht, die Entscheidung liegt alleine bei der Bundesregierung.
Erschien in junge Welt 26.8.2014