Damit erlitt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Niederlage – er hatte nämlich erst vor wenigen Monaten ein »Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit« auf den Weg gebracht, das die Perfektionierung der entsprechenden Technik vorsieht.
Jan Korte, für die Linksfraktion Mitglied im Innenausschuß, forderte Schäuble zu einer Kehrtwende in seiner Politik auf. »Es kann nicht sein, daß der Innenminister sich ständig neue Spitzelmethoden einfallen läßt und erst im nachhinein die Rechtslage klärt. Bislang nimmt das Innenministerium im sogenannten Kampf gegen den Terror systematisch Rechtsverstöße billigend in Kauf«, kritisierte Korte in einer Pressemitteilung.
Schäuble kündigte noch am Montag einen Gesetzentwurf an, um eine »zeitnahe Anpassung der Strafprozeßordnung« herbeizuführen und durch ein neues Gesetz die Lücke in der Strafprozeßordnung zu schließen. »Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es unerläßlich, daß die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen zu können«, behauptet Schäuble. Damit redet er einem Eingriff in die Privatsphäre das Wort, der mindestens genauso gravierend ist wie der große Lauschangriff. Unterstützung bekam Schäuble erwartungsgemäß von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Wie immer muß die Abwehr von »terroristischen Vorbereitungshandlungen«– so GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg – als Begründung herhalten.
Bei der verdeckten Online-Durchsuchung werden die Datenverzeichnisse des Computers eines Verdächtigen ohne dessen Wissen durchsucht. Davon können auch Dateien von anderen Nutzern, etwa Familienangehörigen betroffen sein. Dazu wird ein Spionageprogramm– »Trojaner« genannt – heimlich in den Rechner geladen.
Die Rechtslage war bisher unklar. Im November vorigen Jahres lehnte ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Anordnung einer Online-Durchsuchung ab, wogegen Generalbundesanwältin Monika Harms Beschwerde einlegte. Damit ist sie nun gescheitert, weil es nach Ansicht des 3. Strafsenats am BGH dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.
Ermutigt durch das gestrige Urteil wollen Münsterländer Antiatomkraft-Initiativen am heutigen Dienstag beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen das seit 1. Januar 2007 gültige NRW-Verfassungsschutzgesetz einlegen. Die Initiativen werden durch den Münsteraner Anwalt Wilhelm Achelpöhler vertreten. Die von der CDU-FDP-Landesregierung durchgesetzten Vorschriften ermächtigen den Verfassungsschutz des Bundeslandes zum verdeckten Zugriff auf Privatcomputer. Dafür muß nicht einmal ein Richterbeschluß vorliegen. »Das Ausspionieren von Computern und E-Mails kommt letztlich einer elektronischen Hausdurchsuchung gleich, ohne daß die Betroffenen davon erfahren und die Maßnahmen gerichtlich überprüfen lassen können. Selbst der Kernbereich der Privatsphäre ist künftig vor dem Zugriff des Verfassungsschutzes nicht mehr sicher.«, erklärte Achelpöhler. Die Durchsuchung sämtlicher Dateien auf privaten Computern verstoße sowohl gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht als auch gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung.