Die große Koalition will die für die Zwangsarbeiter-Entschädigung eingerichtete Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« umbauen und sie den Wünschen der deutschen Wirtschaft anpassen. Union und SPD wollen dem Gesetzentwurf zufolge – der noch nicht offiziell eingebracht ist –die Opferverbände aus der Stiftung drängen. Die Kontrolle sollen Bundesregierung und Konzernvertreter erhalten. Eine solche Struktur hatte bereits vor Jahren der frühere Daimler–Chrysler-Finanzchef Manfred Genz gefordert.
Tatsächlich war die Stiftung im Jahr 2000 nur zustande gekommen, weil insbesondere aus den USA Druck auf deutsche Unternehmen ausgeübt wurde. Am Ende kam für die Menschen, die in der Nazizeit von der deutschen Wirtschaft versklavt worden waren, eine eher symbolische Geldleistung heraus, die maximal 15000 D-Mark betrug, häufig wesentlich weniger. Der Bund zahlte fünf Milliarden DM in die Stiftung ein, weitere fünf Milliarden kamen von der »Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft«. Die Firmen konnten die Summe steuerlich absetzen, so daß etwa die Hälfte davon tatsächlich von der öffentlichen Hand aufgebracht worden ist. Die Gelder wurden teilweise an Zwangsarbeiter ausgezahlt, teilweise in einen »Zukunftsfonds« eingestellt.
Über die Tätigkeit der Stiftung wachte ein aus 26 Mitgliedern bestehendes Kuratorium. Darin waren neben den Fraktionen des Bundestags nicht nur die Bundesregierung und die Wirtschaft vertreten, sondern auch die Jewish Claims Conference, Repräsentanten der Sinti und Roma, Israels, der USA , Polens, Rußlands, der Ukraine, aus Belarus, der Tschechischen Republik, der US-amerikanischen Klägeranwälte, des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR), der International Organization for Migration (IOM) und des Bundesverbands Information und Beratung für NS-Verfolgte.
Die vier letzteren sollen nach den Plänen von CDU/CSU und SPD keinen Platz mehr im Kuratorium haben. Begründung: Die Entschädigungen seien nun abgeschlossen, und es gehe nur noch um den »Zukunftsfonds«, der der Erinnerung an die Verbrechen dient.
Eine reine Provokation stellt auch die vorgesehene Bestimmung dar, wonach künftig der Bundestag ins Kuratorium nur noch vier (statt bisher fünf) Mitglieder entsenden darf, obwohl dem Parlament fünf Fraktionen angehören.
Vor allem aber werden dem Kuratorium nahezu alle bisherigen Befugnisse entzogen, während ein neu zu schaffender Stiftungsrat künftig das eigentliche Entscheidungsorgan sein soll. Dort sitzen nur noch zwei Vertreter des Bundestags (womit man bequem die Opposition ganz außen vor lassen kann), der vom Bundeskanzler bestellte Vorsitzende, zwei Repräsentanten der Regierung und drei der deutschen Wirtschaft. Begründung: Es geht um deutsches Geld, da ist internationale Mitwirkung nicht gewollt.
Es ist anzunehmen, daß die Regierungen der Staaten Israel, Rußland, USA, Polen, Ukraine, Belarus und Tschechien sowie die Jewish Claims Conference diese Entmachtung und Ausgrenzung nicht hinnehmen werden. Auch die Opposition im Bundestag hat Widerstand angekündigt. Denn das Modell der damaligen Bundesregierung bei den Gesetzesberatungen im Jahre 2000, nach Abschluß der Auszahlungen an die Zwangsarbeiter die Opfervertreter und die internationalen Kuratoren aus der Leitung der Stiftung herauszunehmen, war schon zu jener zeit vom Parlament verworfen worden. Es gibt also keinen Grund, von der damals einstimmig vom Bundestag geforderten allseitigen Repräsentanz im Führungsorgan der Stiftung abzuweichen.
Zuerst erschienen in: junge Welt vom 24.05.2007