Nachdem Schäuble sich in den letzten Wochen heftiger Kritik ausgesetzt sah, daß er als Verfassungsminister untragbar sei, hielt er es offenbar für ratsam, sein Heil in der Gegenattacke zu suchen und erneut ein Schreckensszenario an die Wand zu malen. Schäuble erklärte in der B.Z. am Sonntag: »Es gibt eine Menge konkreter Tatbestände bis in die vergangenen Tage, die dafür sprechen, daß Deutschland stärker in das Fadenkreuz des internationalen Terrorismus geraten ist. Dazu gehört die Drohung, daß Selbstmordattentäter nach Europa entsandt werden können.« Innenstaatssekretär August Hanning sekundierte seinem Chef, indem er der FAZ-Sonntagszeitung sagte, Deutschland sei durch Islamisten bedroht, die in Pakistan gezielt in El-Qaida-Camps für Terroranschläge ausgebildet würden. Es gebe Anzeichen, daß das Terrornetzwerk Deutschland und deutsche Einrichtungen wie Botschaften im Visier hätten. Den Innenbehörden seien drei in Deutschland wohnhafte Personen bekannt, die Anfang Juni aus Pakistan nach Deutschland gereist seien. »Wir müssen davon ausgehen, daß die Leute, die aus Pakistan zurückgekehrt sind, Anschläge planen.«
Warum sich der Minister und sein Adlatus gerade jetzt so äußerten, wird aus den Forderungen klar, die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegenüber Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erhoben wurden. Bisher straflose »Vorfeldhandlungen« wie die Ausbildung in Terrorlagern und die Verbreitung von Anleitungen zum Bombenbau müßten unter Strafe gestellt werden, verlangte am Sonntag der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach.
Diese Forderungen stehen im Zusammenhang mit dem Plan der CDU/CSU, den Tatbestand der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« auszudehnen. Bisher wird eine solche »Vereinigung« ab drei Personen angenommen, künftig sollen dafür zwei ausreichen. Dieser Tatbestand dient ähnlich wie die Strafvorschrift gegen »kriminelle Vereinigungen« (Paragraph 129) dazu, Personen, denen man keine konkreten Handlungen nachweisen kann, zu kriminalisieren. Bosbach forderte: »Wir müssen das jetzt unter Strafe stellen. Frau Zypries sollte liefern.«
So funktioniert die Arbeitsteilung: Die CDU/CSU-Fraktion verlangt Gesetzesverschärfungen, der – ebenfalls der CDU angehörende – Innenminister liefert die für die politische Debatte hilfreiche Drohkulisse. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke, Gregor Gysi, warf Schäuble vor, er nutze die Terrorangst, um »rechtsstaatliches Denken zurückzuschrauben«.
zuerst erschienen in: junge Welt vom 24. Juli 2007