Rede zu TOP 31 der 74. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages1. Beratung eines Entwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation der Opfer von Menschenhandel in Deutschland auf 18/3256
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Die Linke begrüßt ausdrücklich die Initiative der Grünen, Opfer von Menschenhandel besser zu schützen. Sie sollen ohne weitere Bedingungen ein Bleiberecht erhalten. Bislang bekommen Menschenhandelsopfer nur dann eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis, wenn ihre Aussage im strafrechtlichen Verfahren benötigt wird. Dabei sieht eine Konvention des Europarates von 2008 ausdrücklich vor, ein Aufenthaltsrecht auch unabhängig von der Aussagebereitschaft der Opfer zu gewähren. Die Linke fordert hier, diese Konvention endlich vollständig umzusetzen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren,
auch die Grünen haben in der vergangenen Wahlperiode noch gefordert, das Aufenthaltsrecht von der Aussagebereitschaft abhängig zu machen. Das ändert aber nichts daran, dass wir uns ganz besonders freuen, dass sie jetzt eine ganz andere Position vertreten und dass im vorliegenden Gesetzentwurf weitere Verbesserungen enthalten sind, etwa bei der Opferentschädigung oder die Möglichkeiten, vorenthaltenen Lohn einzuklagen.
Man muss hier ganz deutlich sagen: Die betroffenen Menschen sind in der Bundesrepublik Deutschland Opfer von schwersten Menschenrechtsverletzungen geworden. Viele wurden sexuell ausgebeutet oder regelrecht als Sklaven in der Gastronomie oder zum Teil auch auf Baustellen gehalten. Insofern haben wir hier eine besondere Verantwortung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im vergangenen Jahr hat die Polizei in Deutschland 542 Opfer von Menschenhandel ermittelt, davon 70 Kinder. Uns allen ist klar, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt. Aber nur 87 Menschen hatten Ende 2013 eine Aufenthaltserlaubnis, weil sie als Opfer von Menschenhandel vor Gericht ausgesagt haben. Es gibt viele Gründe, warum diese Zahl so niedrig ist:
Erstens endet die Aufenthaltserlaubnis, wenn das Strafverfahren beendet ist. Wenn dann die Abschiebung droht, besteht kein Anreiz, in einem Prozess auszusagen.
Zweitens müssen die Opfer mit Racheakten gegen ihre Verwandten im Herkunftsland rechnen, wenn sie gegen die Täter aussagen.
Drittens sind vor allem die Opfer von Zwangsprostitution
häufig zutiefst traumatisiert. Sie sind nicht in der Lage, in einem Strafprozess ihren Peinigern gegenüberzutreten. All das spricht aus unserer Sicht für ein bedingungsloses Bleiberecht aus humanitären Gründen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Doch davon, meine Damen und Herren, liebe Kollegin Warken, ist die Regierungskoalition allerdings weit entfernt. Sie haben zwar, wie eben berichtet, am Mittwoch im Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der in der Tat kleinere Verbesserungen vorsieht. Nach diesem Entwurf sollen die Ausländerbehörden stärker in die Pflicht genommen werden, solche Aufenthaltstitel zu erteilen. Außerdem wird die Möglichkeit geschaffen, auch nach einem Prozess ein Bleiberecht zu erhalten. Doch daran, die Aussagebereitschaft zur Bedingung für ein Aufenthaltsrecht zu machen, hält die Regierung leider fest. Der besondere Schutzbedarf von Kindern ist in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei sind Kinder die Opfergruppe wir haben es vorhin in der Debatte gehört , die am stärksten traumatisiert ist. Das Aufenthaltsrecht muss endlich der besonderen Verantwortung diesen Kindern gegenüber gerecht werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein Ausblick. Ich finde es schon interessant, dass in sechs EU-Staaten die EU-Richtlinie, in der die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorgesehen ist, bereits umgesetzt wurde. In sieben weiteren EU-Staaten können die Behörden von der Anforderung, dass eine Aussage gemacht wird, absehen, wenn es die persönliche Situation der Betroffenen erfordert, beispielsweise infolge einer Traumatisierung. Ich meine, auch in Deutschland darf man die Opfer von Menschenhandel nicht länger im Regen stehen lassen. Es ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein humanitäres Gebot, diesen Menschen, denen hier größtes Unrecht geschehen ist, tatkräftig unter die Arme zu greifen. Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)