Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, es ist keine faire Art der Debatte, schon im Vorhinein alles als Unsinn zu bezeichnen, was die Opposition hier an Kritik vorbringt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Gesetzespaket, das Sie heute hier vorgelegt haben, enthält mit Abstand die schärfsten Einschnitte in das Aufenthaltsrecht seit 1993.
(Burkhard Lischka (SPD): Das ist ja Unsinn!)
Schon damals wurde das Grundrecht auf Asyl weitgehend aufgehoben. Jetzt wird es noch einmal massiv beschnitten. Die Bundesregierung legt hier ein regelrechtes Inhaftierungsprogramm für Asylsuchende auf,
(Zurufe von der SPD:Oh!)
nach dem Motto „Wer Asyl beantragt, wird eingesperrt, abgeschoben und darf nie wieder kommen“. Die Linke hält dieses Gesetzespaket für ein ganz fatales Signal. Es ist ein Verrat am Asylrecht und im Übrigen ein schändlicher Kotau gegenüber der rassistischen Hetze von Pegida und jenen Neofaschisten, die zunehmend Asylunterkünfte angreifen.
(Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Pfui! Burkhard Lischka (SPD): Das ist ja Unsinn!)
Meine Damen und Herren, die Koalition will die Abschiebehaft derart massiv ausbauen, dass sie praktisch jeden Flüchtling treffen kann. Als Grund genügt zum Beispiel, dass vom Asylsuchenden ein Schleuser bezahlt worden ist. Aber ohne diese Schleuser können die Flüchtlinge häufig gar nicht den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nehmen. Wenn in der EU keine legalen Wege geschaffen werden, wie Flüchtlinge auch hier nach Deutschland kommen können, und das sogar eine Auflage der EU ist, dann darf man sich nicht wundern und hier nicht solche repressiven Maßnahmen einführen.
Ein weiterer Grund für die Abschiebehaft soll nun sein, wenn die Flüchtlinge keinen Pass besitzen der Minister hat es schon erwähnt oder wenn sie über einen anderen EU-Staat nach Deutschland kamen. Das betraf im vergangenen Jahr 35 000 von insgesamt 173 000 Asylsuchenden. Merken Sie denn gar nicht, wie zynisch es ist und wie Sie hier reagieren? Über welche Länder sollen die Flüchtlinge denn einreisen, wenn nicht über EU-Staaten? Vom Himmel können die Flüchtlinge nicht fallen. Man kann doch diese Menschen, die froh sind, Gewalt und Krieg entkommen zu sein, nicht einfach einsperren, nur weil sie einen falschen Fluchtweg genommen haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was soll denn mit diesen Flüchtlingen geschehen? Sie werden in völlig überfüllte Flüchtlingslager in Bulgarien, Ungarn und anderen Staaten gebracht. Wir alle hier wissen, dass eine menschenwürdige Versorgung dort nicht stattfindet, geschweige denn rechtliche Voraussetzungen für die Flüchtlinge vorhanden sind. Flüchtlinge sind Menschen in Not und keine Kriminellen. Sie verdienen unsere Hilfe und nicht einen solch schäbigen Umgang, wie ihn die Koalition hier plant.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber es gibt noch mehr Verschärfungen. Abgelehnte Asylsuchende sollen künftig mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt werden, sogar dann, wenn sie freiwillig ausgereist sind. Das hätte beispielsweise im vergangenen Jahr 12 000 Menschen getroffen. Treffen wird diese Verschärfung vor allen Dingen Roma aus den Balkanstaaten. Ihnen wird damit jede legale Möglichkeit der Einwanderung versperrt, und sie können nicht einmal mehr Verwandte in der EU besuchen. Ich frage Sie: Mit welcher Berechtigung werden Schutzsuchende derart bestraft? Flüchtlinge verhalten sich wie Flüchtlinge. Sie haben nur ein Recht in Anspruch genommen, das immer noch im Grundgesetz steht. Sie stellen einen Antrag, dieser wird abgelehnt, sie reisen wieder aus. Sie dafür mit einem Einreiseverbot zu belegen, das im Übrigen für die gesamte EU gilt, ist nichts anderes als eine absolut willkürliche Verzerrung unseres Rechtssystems. Das wird die Linke nicht mitmachen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum Schluss möchte ich noch auf das Bleiberecht zu sprechen kommen. In der Tat: ein kleiner Fortschritt. Insgesamt gibt es zurzeit 113 000 Menschen in Deutschland, deren Aufenthalt nur geduldet ist. Davon lebt etwa ein Drittel länger als fünf Jahre in Deutschland. Aber Ihre Regelung, Herr Minister, besagt jetzt, dass diese Menschen als Alleinstehende seit mindestens acht Jahren oder als Familien seit mindestens sechs Jahren in Deutschland leben müssen und auf jeden Fall eine eigenständige Sicherung ihres Lebensunterhalts leisten müssen. Das können gerade einmal 11 Prozent. Zuvor haben Sie diese Menschen mit Arbeitsverboten belegt.
(Rüdiger Veit (SPD): Das stimmt nicht, Ulla!)
– Doch. Sie konnten jedenfalls nicht einfach arbeiten gehen. – Integrationsmaßnahmen gab es für sie auch nicht. Jetzt sollen sie plötzlich solche Leistungen erbringen, um hier bleiben zu können.
Wie gesagt, nur 11 Prozent haben überhaupt eine Beschäftigung. Das heißt, sehr wenige werden wirklich diese Bleiberechtsregelung in Anspruch nehmen. Wir sagen hier ganz klar: Alle anderen leben doch im Grunde genommen in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden, obwohl beispielsweise ihre Kinder hier aufgewachsen sind und sie oft sehr gut integriert sind.
Um es zusammenfassend zu sagen: Das neue Bleiberecht greift viel zu kurz. Die verschärfte Abschiebepolitik ist zynisch und inhuman. Das wird die Linke nicht mittragen.
(Beifall bei der LINKEN)
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