Noch am Montag protestierte der ARD-Vorsitzende Fritz Raff in Saarbrücken gegen das Vorhaben, da es u.a. Journalisten zu Geheimnisträgern zweiter Klasse mache. »Man kann nicht die Freiheit schützen, indem man Grundrechte abschafft«, sagte Raff. Aus Protest gegen das Vorhaben war der in Ingolstadt erscheinende Donaukurier am Wochenende mit geschwärzter Titelseite erschienen. Der Widerstand soll am heutigen Dienstag fortgesetzt werden: In über 40 Städten sind Kundgebungen und Mahnwachen geplant.
Hinter dem sperrigen Titel des Gesetzes, das voraussichtlich am Donnerstag im Bundestag beraten wird, verbergen sich weitreichende Eingriffe in die Grundrechte. Insbesondere wird der Schutz von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Ärzten und Anwälten vor verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nicht gewährleistet. Es soll prinzipiell erlaubt werden, Telefonate von Ärzten, Journalisten und Anwälten abzuhören – Strafverteidiger aber sollen dagegen abgesichert werden. Der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Axel Filges, zeigte sich damit in einem am Montag veröffentlichten Spiegel-Interview unzufrieden. Er verwies darauf, daß es »hochsensible Gespräche« auch bei anderen Anwälten als Strafverteidigern geben könne, ebenso bei Journalisten. »Der Schutz der Berufsgeheimnisträger ist kein Selbstzweck, es geht hier um die Freiheit der Bürger, um sensibelste Bereiche, in denen der Staat nicht herumzuschnüffeln hat.«
Dem Argument der Konservativen, wer sich nichts zuschulden kommen lasse, habe auch nichts zu verbergen, trat Filges mit Entschiedenheit entgegen. Auch Unschuldige könnten in Verdacht geraten. »Selbst wer vielleicht etwas angestellt hat – soll der nicht mehr vertrauensvoll zu einem Arzt, Rechtsanwalt oder Journalisten gehen dürfen?« fragte Filges. Er machte ferner darauf aufmerksam, daß immer dann, wenn ein Anwalt oder Journalist wegen eines verdächtigen Mandanten bzw. Informanten abgehört werde, alle anderen Anrufer mit erfaßt würden.
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen. Damit werden die Verbindungsdaten der Telekommunikation aller Bürgerinnen und Bürger sechs Monate für polizeiliche Zwecke aufbewahrt. Hiergegen hat es bei einer Sachverständigen-Anhörung im Bundestag erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegeben. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) beruft sich aber darauf, sie müsse eine Vorgabe der Europäischen Union umsetzen. Zu der EU-Richtlinie konnte es aber überhaupt nur kommen, weil die Bundesregierung in Brüssel zugestimmt hat. Hierfür gilt nämlich das Prinzip der Einstimmigkeit. Berlin hätte es daher in der Hand gehabt, diese Richtlinie zu verhindern.
Zudem laufen gegen die Vorratsdatenspeicherung bereits Klagen beim Europäischen Gerichtshof. Zumindest hätte die Koalition den Ausgang der Gerichtsverfahren abwarten können, statt eilends die Vorratsdatenspeicherung im nationalen Recht einzuführen.
(junge Welt, 6. 11. 07, S. 1)