„Wir sind in großer Sorge, dass die türkische AKP-Regierung den Friedensprozess für ihren eigenen Erfolg bei der anstehenden Parlamentswahl im Juni aufs Spiel setzt. In den letzten Tagen kam es trotz Waffenstillstand und Friedensbemühungen der PKK vermehrt zu Angriffen der türkischen Armee auf vermeintliche Guerillastellungen und die Zivilbevölkerung sowie Provokationen. Das muss sofort aufhören,“ fordert Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE.
Infolge einer Militäroperation in der Provinz Ağrı (kur. Agirî) wurden am letzten Sonnabend fünf Soldaten, ein Guerillakämpfer sowie ein Zivilist getötet. Dass nicht mehr Soldaten einer15-köpfigen Kommandoeinheit starben, war DorfbewohnerInnen zu verdanken, die sich als „lebende Schutzschilde“ zwischen die Fronten begaben.
Die AKP-Regierung habe im Rahmen des Wahlkampfes geplant, am folgenden Tag die Leichen von 15 Soldaten in verschiedene Städte des Landes zu schicken, erklärte der örtliche Vorsitzende der kurdischen Partei der Demokratischen Regionen (DBP), Kamuran Yüksek, bei der Beerdigung des von der Armee erschossenen „lebenden Schutzschildes“ Cemzi Budak. „Die Armee hat 15 Soldaten im Kampfgebiet in Ağrı zurückgelassen, acht davon verwundet. Die Soldaten sollten offenbar dort sterben, damit die Zahl der Stimmen der AKP bei der Wahl ansteigt“, sagte der Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtaş, unter Verweis auf Zeugenaussagen und Filmaufnahmen.
Dass es sich um eine von Geheimdienstchef Hakan Fidan gemeinsam mit dem Innenminister Efkan Âlâ vorbereitete Provokation auf Befehl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gehandelt hatte, bekundete am Sonntag auch ein Whistleblower mit dem Pseudonym Fuad Avni. Offenbar ist Avni aus dem engsten Führungszirkel der AKP und gehört der inzwischen mit Erdoğan in Zwist geratenen Fethullah-Gülen-Gemeinde an. Der Präsident sei äußerst besorgt, dass die HDP die Zehnprozenthürde bei den Wahlen überwinden könnte und greife daher zu solchen Mitteln, so Avni.
Auch in Siirt und im türkisch-iranischen Grenzgebiet bei Hakkari/Şemdinli griff die Armee die Guerilla der PKK an. Auf die Frage von DorfbewohnerInnen in Şemdinli, warum es trotz Friedensprozess Militäroperationen gäbe, antwortete ein Offizier der türkischen Armee Zeugenaussagen zufolge, dass es keinen Frieden gäbe, sondern von jetzt an gekämpft werde.
„Die Bundesregierung ist in der Pflicht mäßigend auf die Regierung Erdogan/Davotoglu einzuwirken. Der Friedensprozess zwischen der türkischen Regierung und der PKK ist ein Schlüssel zur Demokratisierung des Landes und einer friedlichen Entwicklung im Mittleren Osten. Insbesondere in diesem Zusammenhang und in Anbetracht der positiven Rolle der PKK bei der Rettung Hunderttausender vor den Terrormilizen des Islamischen Staates IS muss in der Bundesrepublik endlich das PKK Verbot aufgehoben werden,“ fordert Martin Dolzer, Europa- und Friedenspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft.
„Die türkische Armee muss endlich ihren schmutzigen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und die PKK beenden. Immer noch werden Kämpfer des IS ungehindert über die türkisch-syrische Grenze gelassen. In den letzten drei Jahren erschossen das türkische Militär und Polizisten 50 Menschen bei Demonstrationen. Dass die Bundesregierung und die EU eine solche Politik weitgehend tatenlos geschehen lassen und weiter einer militärischen Zusammenarbeit festhalten, ist verantwortungslos und beschämend,“ kommentiert Harald Weinberg, Mitglied des Bundestags.
Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE
Harald Weinberg, Mitglied des Bundestags, DIE LINKE
Martin Dolzer, Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, DIE LINKE
Cansu Özdemir, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, DIE LINKE
Barbara Cárdenas, Landtagsabgeordnete Hessen, DIE LINKE
Britta Eder, Rechtsanwältin
Yilmaz Kaba, Vorstandsmitglied der Föderation der Ezidischen Vereine e.V.