Dem 23jährigen libanesischen Studenten Youssef E. H. wird vorgeworfen, gemeinsam mit Jihad Hamad am 31.Juli 2006 im Kölner Hauptbahnhof zwei mit Sprengstoff gefüllte Koffer in Regionalzügen nach Koblenz und Hamm plaziert zu haben. Die Bomben seien nur wegen eines handwerklichen Fehlers der Beschuldigten nicht explodiert. Jihad Hamad wurde gestern in Beirut wegen versuchten Mordes zu zwölf Jahren Haft verurteilt, Youssef E. H. in Abwesenheit zu lebenslanger Haft; drei Mitangeklagte wurden freigesprochen. Der Düsseldorfer Prozeß wird voraussichtlich bis Sommer 2008 dauern.
Nach Überzeugung der Ankläger wollten die beiden Tatverdächtigen aus Rache für die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten einen Anschlag verüben, die auch in deutschen Zeitungen veröffentlich worden waren. Verteidiger Bernd Rosenkranz kündigte an, sein Mandant werde sich vorerst nicht zu den Vorwürfen äußern. Es wird erwartet, daß die Verteidigung vor allem der These entgegentreten wird, der Zündmechanismus der Bomben habe nur zufällig versagt. Im Gegensatz dazu wird der Anwalt sich darauf berufen, daß der Anschlag gar nicht vollendet werden sollte. Der Beschuldigte Youssef E.H. war immerhin Student der Mechatronik, so daß die Anklagethese vom handwerklichen Fehler nicht sehr wahrscheinlich erscheint. Die Koffer waren nicht versteckt, sondern standen offen in den Zugabteilen. Sogar ein Zettel mit einer libanesischen Telefonnummer wurde darin noch gefunden.
Um zu klären, ob die Bombe nun »falsch« konstruiert oder absichtlich unscharf war, hat das Gericht Verhandlungstage bis April 2008 angesetzt. Die Sachlage ist eben nicht so klar, wie die Sicherheitsbehörden nach der Festnahme am 19. August 2006 glauben machen wollten. Damals war die Rede davon, man sei nur knapp an einer Katastrophe wie in London oder Madrid vorbeigeschrammt. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nutzte den Vorgang, um sofort nach Ausweitung der Videoüberwachung und nach anderen Gesetzesverschärfungen zu rufen. Die Verdächtigen wurden öffentlich mit Al Qaida in Zusammenhang gebracht – nicht, weil es dafür Beweise gibt, sondern weil es galt, den ganzen Vorgang möglichst dramatisch erscheinen zu lassen. Die Bundesanwaltschaft suchte monatelang nach einem dritten Mittäter, um Anklage auch wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung erheben zu können. Auf diesen »Gummiparagraphen« läßt sich eine Verurteilung leichter und ohne Detailbeweise stützen. Doch der dritte Mann fand sich nicht.
Der Staatssekretär im Innenministerium, August Hanning, von 1998 bis 2005 BND-Präsident, lobte zu Prozeßauftakt die Videoüberwachung an Bahnhöfen. Dabei waren es nicht die Videobilder vom Kölner Hauptbahnhof, die unmittelbar zur Festnahme Youssef E. H.s führten. Die entscheidenden Hinweise kamen vielmehr vom libanesischen Geheimdienst. Das zeigt ein ganz anderes Problem: Es ist offenbar schon gang und gäbe, daß die deutschen Behörden Erkenntnisse aus Staaten nutzen, in denen gefoltert wird – was Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ohnehin beharrlich fordert, und zwar auch zu »präventiven« Zwecken. Hanning bleibt davon unbeirrt und verlangte gestern im ZDF-Morgenmagazin wieder einmal die Einführung der heimlichen Online-Durchsuchungen von Privatcomputern.