Noch in dieser Woche wollen CDU und CSU im Bundestag die »Reform« der Bundespolizei (BPol) durchpeitschen. In einem Hau-Ruck-Verfahren sollen eine Reihe von Gesetzesänderungen beschlossen werden. Die Koalition läßt dem Parlament keine Zeit, die kritischen Stellungnahmen zu verarbeiten, die vorige Woche bei einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuß abgegeben wurden. Vordergründig verkauft Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Änderungen als Verwaltungsreform. Er hebt die organisatorischen Maßnahmen hervor, wie die Zusammenfassung der bisherigen Mittelbehörden in einer Oberbehörde in Potsdam und die Zusammenführung der bisher 19 Polizeiämter in den neuen Bundespolizeidirektionen. Verwaltungstätigkeiten sollen eingeschränkt und dafür Einsatzaufgaben und der Anteil mobiler Kräfte im Einzeldienst ausgeweitet werden.
Spezialisierte Truppe
Doch tatsächlich geht es um weit mehr als nur organisatorische Veränderungen: Es geht um die endgültige Abkehr von der ursprünglichen Grenzpolizei. Durch die Ausdehnung der EU ist die alte Aufgabe des früheren Bundesgrenzschutzes ohnehin obsolet geworden. Doch statt die Bundespolizei aufzulösen, wird sie allmählich zu einer hochspezialisierten Einsatztruppe mit besonderen Befugnissen umgebaut, die insbesondere Schäubles verfassungswidrige Antibürgerrechtspolitik unter dem Vorwand des »Kampfes gegen den Terrorismus« unterstützen soll.
Allerdings behält die Bundespolizei zugleich ihre Funktion, Flüchtlinge und Migranten abzuwehren. Sie unterstützt tatkräftig das Bemühen, die »Festung Europa« an den neuen Schengen-Außengrenzen dicht zu machen. Dazu gehören die Beteiligung an der EU-Grenzschutzagentur Frontex, aber nach wie vor auch Einsätze an der tschechischen und polnischen Grenze, wo wortwörtlich Flüchtlinge »ausgegrenzt« werden, die es bis dahin geschafft haben. Dort wird mittels der »Schleierfahndung« Jagd auf diese Menschen in Not gemacht. Die »Auslandskompetenz« der Bundespolizei soll durch die Reform weiter gestärkt werden.
Während die Absicht einer Militarisierung der Bundespolizei kaum verschleiert wird, geschieht ihr Umbau zu einer FBI-ähnlichen Truppe auf leisen Sohlen und wird im Detail an verschiedenen Stellen vollzogen. Zu nennen ist die zentrale Rolle der Bundespolizei im Rahmen des Küstenwachzentrums Cuxhaven, der bahnpolizeiliche Aufgabenbereich der Bundespolizei sowie die Unterstützung der Landespolizeien. Diese letztere Aufgabe hat einen hohen Stellenwert, wobei die Zahl der Einsatzstunden von polizeilich relevanten Großereignissen wie G-8-Gipfel oder Castortransporten abhängt.
Das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM), das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und die Gemeinsamen Zentren in Kehl und Luxemburg sind ausgelagerte Organisationseinheiten. Im Rahmen der »Terrorabwehr« dienen sie der informationellen Zusammenarbeit unter den Behörden der inneren Sicherheit. Die Bundespolizei arbeitet also viel enger als bisher mit Länderpolizeien, aber auch allen drei Geheimdiensten zusammen, womit der Verfassungsgrundsatz der Trennung von Polizei und Geheimdiensten unterlaufen wird. Das neue Gesetz regelt ausdrücklich, daß die Bundespolizei auch weiterhin als Eingreiftruppe für den Notstandsfall vorgesehen ist.
Bundespolizei auflösen
In der Anhörung vor dem Innenausschuß des Bundestages kritisierte der von der Linksfraktion benannte Sachverständige Otto Diederichs vom Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit, die Reform sei »in der Sache unangemessen und geht an der Realität vorbei«. Dabei bezog er sich unter anderem auf die Regierungspläne, denen zufolge die 38400 Bundespolizisten – das sind 11,5 Prozent des gesamten deutschen Polizeibestandes – ein Viertel zur Bereitschaftspolizei von Bund und Ländern beisteuern sollen. Sinnvoller erscheine es, die EU-Erweiterung zum Anlaß zu nehmen, die Bundespolizei als eigenständige Polizeibehörde aufzulösen und den Personalbestand mehrheitlich in die Länderpolizeien zu überführen. Lediglich die Aufgaben der Bahnpolizei, die Zuständigkeit für Luftsicherheit und den Schutz deutscher Botschaften im Ausland sollten weiterhin beim Bund angesiedelt sein.