Immer weniger Eheleute und Kinder können zu ihren in Deutschland als Migranten lebenden Familienangehörigen ziehen. Dies mußte die Bundesregierung am Montag aufgrund einer Großen Anfrage der FDP-Fraktion einräumen. So sank die Zahl der erteilten Visa zum Ehegatten- und Familiennachzug von 85305 im Jahr 2002 auf 50300 im Jahr 2006. Den Grund für den Rückgang sieht die Regierung in den insgesamt rückläufigen Zuwanderungszahlen seit Mitte der 1990er Jahre. Die Auswirkungen der Verpflichtung zum Nachweis von Sprachkenntnissen für nachziehende Ehegatten seien nach Angaben der Bundesregierung noch nicht statistisch belegbar.
Die alltägliche Gerichtspraxis zeigt aber, daß gerade das Erfordernis, Deutschkenntnisse bereits im Herkunftsland zu erwerben, eine neue Barriere darstellt. In einem ebenfalls am Montag bekanntgewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wurde einer Inderin ein Visum zur Familienzusammenführung verweigert worden war. Nach ihrer Hochzeit mit einem Deutschen in Neu-Delhi im Jahr 2004 behauptete die deutsche Botschaft, es handle sich um eine »Scheinehe«. Dagegen setzte sich die Frau mit Erfolg zur Wehr. Dennoch darf sie nicht zu ihrem Mann in die BRD einreisen, weil sie nur einzelne deutsche Worte sprechen kann. Dies reiche nicht aus, urteilte das Verwaltungsgericht unter Bezug auf die seit 2007 geltende Neuregelung. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache das Rechtsmittel der Berufung zu. (VG 5 V 22.07)
Die bewußt inhumane Politik der großen Koalition, den Zuzug von Ehegatten aus dem Ausland zu erschweren, führt zu dem von CDU/CSU und SPD beabsichtigten Rückgang der Visaerteilungen. Bei den »Hohenheimer Tagen zum Ausländerrecht«, einem alljährlich in der Akademie der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart durchgeführten Kongreß von Fachleuten, wurde das neue Zuwanderungsgesetz am Wochenende jedoch als eindeutig verfassungswidrig kritisiert. Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Gießen, Ralph Göbel-Zimmermann, Autor eines renommierten Standardkommentars zum Ausländer- und Asylrecht, sah in der von der großen Koalition eingeführten Pflicht, vor einem Umzug in die BRD bereits im Heimatland eine Deutschprüfung ablegen zu müssen, einen klaren Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung, mit der die Bundesregierung angeblich »Zwangsverheiratungen« verhindern möchte, verletzt nach Auffassung des Rechtsexperten den grundgesetzlichen Schutz der Familie. Wenn Frauen beispielsweise wegen des Fehlens von Sprachschulen in ihrem Heimatland gar nicht die deutsche Sprache erlernen können und daher jahrelang von ihrem Ehepartner getrennt bleiben, sei dies mit Artikel 6 des Grundgesetzes unvereinbar.
Der Verband der binationalen Familien und Partnerschaften gab auf der von den beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie sowie vom DGB-Landesbezirk mitgetragenen Tagung bekannt, daß es mittlerweile Hunderte von Beschwerden Betroffener wegen der 2007 vom Bundestag verabschiedeten Neuregelung gebe.