Weitere Verschärfung des Asylrechts
Von Ulla Jelpke (erschienen in der jungen Welt am 15.10.2015)Die Antiasylhetzer von Pegida, AfD und CSU können aufatmen: Mit dem sogenannten Asylpaket der Koalition haben sie einen großen Sieg errungen. Was der Bundestag heute aus dem Asylrecht macht, ist ein Regelwerk, das grundgesetzfeindliche Leistungskürzungen, Missachtung der Verfassungsrechtsprechung, dauerhafte Arbeitsverbote, verlängerte Lagerunterbringung und Nacht-und-Nebel-Abschiebungen vorsieht, kurz: ein Flüchtlingsabschreckungsgesetz.
Um die Absenkung der Zahlen von Asylsuchenden zu erreichen, wird eine drastische Selektion vorgenommen: Flüchtlinge aus angeblich sicheren Herkunftsländern sollen im Erstaufnahmelager bleiben und dieses erst bei ihrer Abschiebung wieder verlassen. Sie unterliegen einem absoluten Arbeitsverbot sowie der »Residenzpflicht«. Anderen wird der Lageraufenthalt »nur« bis zu drei Monaten zugemutet. Als »sichere« Herkunftsregion gilt jetzt der gesamte Westbalkan. Pikant dabei: Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, die dessen »Sicherheit« belegen sollen, wurden dem Innenausschuss erst vor wenigen Tagen zugeleitet, als vertrauliche Verschlusssache. Die Berichte lokaler Menschenrechtsgruppen, auf die sich das Außenministerium angeblich stützt, wurden trotz mehrfacher Aufforderungen der Linksfraktion bis heute nicht vorgelegt. Damit verhindert die Regierung eine gründliche Prüfung, wie »sicher« der Balkan tatsächlich ist.
Wer nicht »freiwillig« ausreist oder sich seiner Abschiebung entzieht, soll künftig nur noch das physische Existenzminimum erhalten, und zwar als Sachleistung. Das ist ein Affront gegen das Bundesverfassungsgericht, das eindeutig festgestellt hat: Migrationspolitische Erwägungen – also etwa der Wunsch, Flüchtlinge abzuschrecken – rechtfertigen es nicht, ihnen die Menschenwürde zu nehmen, die nicht nur aus Obdach und Brot, sondern auch aus einem soziokulturellen Existenzminimum besteht. Bundesinnenminister de Maizière hofft, angesichts der aktuellen Entwicklungen werde das Verfassungsgericht seine Rechtsprechung ändern – als gälten die Garantien des Grundgesetzes nur, solange sie kaum in Anspruch genommen werden.
Die nächsten Grausamkeiten gegen Flüchtlinge werden schon vorbereitet, etwa die Einrichtung von Transitzonen, sprich Internierungslagern, an den Grenzen. Was sich nicht ändert: Rüstungsexporte der Industriestaaten, eine ausbeuterische Wirtschaftspolitik, das Elend in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten. Die Bekämpfung von Fluchtursachen bleibt reine Kosmetik.