Die Bundesregierung hat schon mehrfach bekräftigt, umfangreiche Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan vornehmen zu wollen. Es gebe dort eine „ausreichend kontrollierbare“ Sicherheitslage. Ich habe jetzt nachgefragt: Die Bundesregierung stützt sich bei ihrer Darstellung ausgerechnet auf Verlautbarungen der Taliban-Führung. Na, die muss es ja wissen.
Die Bundesregierung vergleicht die Gefährdungslage für Angehörige bewaffneter bzw. internationaler Organisationen und Zivilisten und gibt dabei zu Protokoll: „Für die zivile Bevölkerung in den Gebieten unter militantem Einfluss ist die Bedrohung dagegen geringer, da die Talibanführung ihre Kämpfer wiederholt glaubhaft und eindeutig angewiesen hat, zivile Opfer zu vermeiden und zivile Infrastruktur zu schonen.“
Damit nimmt die Bundesregierung Versprechungen der Taliban für bare Münze. Was kommt als nächstes: Wir schieben nach Eritrea ab, weil die eritreische Regierung behauptet, sie foltere ja gar nicht? Komisch nur: Laut UN-Verwaltung in Afghanistan waren im vergangenen Jahr für fast zwei Drittel der zivilen Toten die Aufständischen verantwortlich. Soll das also „ausreichend kontrollierbar“ sein?
In Afghanistan herrscht Bürgerkrieg, es kann überall jederzeit eine Bombe hochgehen oder ein Feuergefecht geben. Da ist das Gerede von angeblich ausreichender Sicherheit einfach nur zynisch.
Für aufschlussreich halte ich im Übrigen die Zahlen, die die Bundesregierung zu ausreisepflichtigen Afghaninnen und Afghanen präsentiert:
41 Prozent der Ausreisepflichtigen sind Kinder – abgeschoben werden jedoch nur alleinstehende männliche Erwachsene. Das Gros der afghanischen Flüchtlinge wird über kurz oder lang in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhalten, vielen von ihnen durch eine Flüchtlingsanerkennung, andere, weil sie selbst nach einer Asylablehnung aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden können.
Wenn die Bundesregierung dennoch großspurig umfangreiche Abschiebungen ankündigt, vergiftet sie die Stimmung in Deutschland, weil sie Bürgerkriegsflüchtlinge als Betrüger darstellt.