Die Erinnerung an den Holocaust sowie der Kampf gegen Neofaschismus sind die diesjährigen Schwerpunkte der noch bis zum 23. März laufenden bundesweiten Aktionswochen gegen Rassismus. Zahlreiche Podiumsdiskussionen, Ausstellungen, Seminare und Theatervorstellungen werden organisiert. Veranstalter ist der Verein »Gesicht Zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland« unter Schirmherrschaft von Altbundeskanzler Gerhard Schröder. Er war im Jahr 2000 im Rahmen des von der damaligen SPD-Grünen-Regierung ausgerufenen »Aufstandes der Anständigen« gegründet worden.
Deutschland ist aber kein weltoffenes Land. Flüchtlinge kommen hier nicht nur durch Neonaziübergriffe, sondern auch in Folge von institutionellem Rassismus zu Tode. Das zeigt die soeben in 15. Auflage vorgelegte Dokumentation »Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen« der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI).
Die Dokumentation ist eine Zusammenstellung von Todesfällen, Verletzungen und Selbsttötungen bei Grenzüberquerungen, Abschiebungen sowie bei Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Stichtag ist die faktische Abschaffung des Asylrechts durch die Bundestagsmehrheit am 1. Juli 1993. Seitdem wurde die Abschottungspolitik gegenüber Hilfesuchenden immer weiter perfektioniert. Im Jahre 2007 sank die Zahl der Asylgesuche auf einen historischen Tiefstand von nur noch 19164 Anträgen. Zugleich wurden bei 28572 Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nur 304 Personen als Asylberechtigte anerkannt, das entspricht einer Quote von lediglich 1,1 Prozent. Menschen, denen es dennoch gelungen ist, eine Anerkennung als Asylberechtigte zu erreichen, müssen damit rechnen, daß ihr Status widerrufen wird und sie ihre einmal erkämpfte Existenz wieder verlieren. In der Zeit von 2004 bis 2007 wurde 41639 Flüchtlingen der Aufenthaltstitel aberkannt.
Seit 1993 kamen laut ARI mindestens 370 Flüchtlinge durch staatliche Maßnahmen der BRD ums Leben, durch rassistische Übergriffe und Brände in Asylbewerberheimen starben 81 Menschen. 174 Flüchtlinge kamen auf dem Weg in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen ums Leben, 475 erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, 149 töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen. 746 verletzten sich aus Angst vor der Abschiebung oder versuchten, sich umzubringen. Fünf Flüchtlinge starben während der Abschiebung und 356 wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Mißhandlungen während der Abschiebung verletzt. 29 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode und 441 wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär mißhandelt und gefoltert oder kamen aufgrund ihrer schweren Erkrankungen in Lebensgefahr.
Letztes dokumentiertes Todesopfer deutscher Flüchtlingspolitik ist der 28-jährige Tunesier Mohamed Mechergui, der sich am 30. Dezember 2007 im Berliner Abschiebegefängnis aus Angst vor seiner Abschiebung erhängte. Der Iraner Kamal X. starb am 11. Dezember 2007 in Amberg an den Folgen einer Selbstverbrennung. Am 29. August 2007 starb der Iraker Soran Ali Khorshid in Rostock an einer Überdosis Tabletten. Einen Monat nach seiner Abschiebung starb der schwerkranke 63jährige Amruš Aljiti am 13. August 2007 im bosnischen Mostar wegen fehlendens Insulin. Am 27. Juni 2007 erhängte sich der Kurde Mustafa Alcali (30) in der Abschiebehaft in Frankfurt am Main. Am 7. Juni 2007 starb Sherry Alex (24) nach der Abschiebung nach Angola an Malaria. Am 11. April 2007 erstach sich in Lotte in Nordrhein-Westfalen ein 34 Jahre alter Mann aus Nepal in der Flüchtlingsunterkunft. Am 4. Februar 2007 wurden zwei äthiopische Flüchtlinge im tschechisch-sächsischen Grenzgebiet von einem Nahverkehrszug erfaßt und tödlich verletzt.