„Der Einsatz der Deutschen Marine in der Ägäis läuft darauf hinaus, Flüchtlingen den Zugang zu einem Grundrecht zu verweigern“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum NATO-Einsatz in der Ägäis (BT-Drs. 18/9430). Jelpke weiter:
„Die NATO hat bis zum 1. August in 109 Fällen sogenannte Migrationsbewegungen festgestellt und an die türkische bzw. griechische Küstenwache gemeldet. Von der Deutschen Marine stammten allein 24 dieser Meldungen. Die Bundesregierung bestätigt, dass in mindestens einem Fall am 31. März 2016 50 Flüchtlinge, die bereits griechische Gewässer erreicht hatten, von der griechischen Küstenwache aufgenommen und an deren türkische Kollegen übergeben wurden. Die Beteiligung deutscher Kriegsschiffe an diesem Verfahren stellt faktisch eine Beihilfe zur Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention dar.
Für den Fall, dass ein Schiff der Deutschen Marine Flüchtlinge aus Seenot rettet, ist grundsätzlich vorgesehen, diese in die Türkei zurückzubringen, auch wenn sie in griechischen Gewässern aufgenommen wurden. Lediglich für diejenigen, die ‚nachvollziehbar geltend machen‘, dass ihnen in der Türkei Verfolgung droht, ist der Bundesregierung zufolge eine Einzelfallprüfung vorgesehen, die dann vom Bundesministerium der Verteidigung bearbeitet wird.
Ich halte dieses Vorgehen für extrem problematisch. Es ist in keiner Weise gewährleistet, dass eventuell aus Seenot Gerettete tatsächlich Gelegenheit erhalten, Gründe gegen eine Rückführung in die Türkei rechtzeitig und ‚nachvollziehbar‘ geltend zu machen. Die Schutzsuchenden werden erschöpft aus dem Wasser gezogen, sind traumatisiert oder bedürfen ärztlicher Versorgung – und dann sollen sie schnellstmöglich einem Marineangehörigen, der womöglich gar nicht ihre Sprache spricht, Gründe darlegen, warum sie nicht in die Türkei zurückgebracht werden dürfen? Das ist absurd. Und der Begriff des ‚nachvollziehbaren‘ Vorbringens ist viel zu schwammig. Wer soll darüber entscheiden? Die Soldaten an Bord eines Kriegsschiffs sind schließlich keine Völkerrechtsexperten.
Schon aus humanitärer Sicht wäre es erforderlich, Flüchtlinge, die bereits in griechischem Gewässer sind, auch auf griechischen Boden zu bringen, damit sie dort Asyl beantragen können. Wenn sie davon abgehalten werden, läuft das faktisch darauf hinaus, ihnen den Zugang zu einem existenziellen Grundrecht zu verweigern.“