aus: junge Welt vom 20. Oktober 2016
Verletzte bei Polizeieinsatz gegen Rechtsextremisten – mehr Waffenfunde bei Neonazis
Die in eine Vielzahl miteinander konkurrierender »Reichsregierungen« aufgespaltenen »Reichsbürger« gehen von der Weiterexistenz des Deutschen Reiches aus und weigern sich, Steuern und Bußgelder an die in ihren Augen juristisch nicht existente »BRD GmbH« zu bezahlen. Ein Teil der Anhänger vertritt darüber hinaus offen völkisch-antisemitische Standpunkte und beteiligt sich an flüchtlingsfeindlichen Protesten.
Zwar werde die Schuldfähigkeit einiger Protagonisten der Szene in psychiatrischen Gutachten angezweifelt, teilte die Bundesregierung im Juli auf eine Anfrage der Linksfraktion mit. Doch sei »nicht auszuschließen, dass sich der Aktionismus und die Aggression im ›Reichsbürgermilieu‹ verstärken und es zu Radikalisierungseffekten kommt«. Kurz darauf lieferte sich ein Anhänger der Bewegung – ein ehemaliger »Mister Germany« – eine Schießerei mit der Polizei, als sein Hof im sachsen-anhaltinischen Reuden zwangsgeräumt werden sollte.
Der Brandenburger Verfassungsschutz hatte zudem bereits im Juni gemeldet, dass bei Hausdurchsuchungen in der »Reichsbürgerszene« vermehrt Waffen und große Mengen Munition gefunden wurden. Dies spiegelt einen allgemeinen Trend zur Aufrüstung bei Rechtsextremisten wieder, bei denen die Polizei im Jahr 2015 fast 2.000 Waffen fand. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. Von Behördenseite werden selbst Funde von Kriegswaffen bei Neonazis gerne mit einer »Waffenaffinität« der Rechten verharmlost. Eine Abfrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei den Ländern ergab für das Jahr 2014, dass rund 400 Rechtsextremisten ganz legal Waffen führen dürfen. Zwar kann der Waffenschein im Falle rechtsextremer Bestrebungen aberkannt werden. Doch laut einer Umfrage des SWR wurden tatsächlich nur in Einzelfällen Waffenscheine von als »unzuverlässig« eingestuften Rechtsextremen eingezogen.