Der Skandal um die Bespitzelung von Managern, Aufsichtsräten und Journalisten durch die Deutsche Telekom beschäftigte am Mittwoch den Bundestag in einer Aktuellen Stunde. Die Telekom hat eingeräumt, daß zwischen 2005 und 2006 Telefondaten ausspioniert worden seien, um undichte Stellen im Konzern aufzuspüren, über die Informationen an Journalisten weitergegeben worden seien. Die Daten, zu deren Geheimhaltung die Telekom verpflichtet war, wurden von der Berliner Firma Network Deutschland GmbH ausgewertet. Am Dienstag wurde bekannt, daß dieses Unternehmen auch für die Deutsche Bahn AG gearbeitet hat. Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, Antikorruptionsbeauftragter der Bahn, betonte, dabei sei es um die Bekämpfung von Korruption und um Nachforschungen zur vermuteten Scientology-Mitgliedschaft von Bahnlieferanten gegangen.
Bei der Telekom geht es offensichtlich auch um die Bespitzelung von Journalisten. Den Vorwürfen zufolge wurden Festnetz-Verbindungsdaten von Managern und Aufsichtsräten zu ihnen ausgewertet. Anschließend soll es zu einer gezielten Überwachung einzelner kritischer Journalisten gekommen sein. Noch ungeklärt ist, ob mittels ihrer Handydaten Bewegungsprofile von den Betroffenen erstellt wurden. Zur Klärung der noch offenen Details hat die Telekom den pensionierten Bundesrichter Gerhard Schäfer als internen »Sonderermittler« berufen. Ferner kündigte Vorstandsvorsitzender Rene Obermann in der aktuellen Zeit eine Beschränkung des Zugriffs auf die Telefondaten an: »Wir tun alles, um zu klären, was in diesem Fall wirklich passiert ist, damit wir das Vertrauen unserer Kunden wieder stärken können«.
Dieses Vertrauen haben mittlerweile nicht einmal mehr führende Politiker der CDU/CSU. In der Süddeutschen Zeitung wurde deren Parlamentarischer Geschäftsführer Norbert Röttgen mit der Äußerung zitiert, es stelle das marktwirtschaftliche System in Frage, wenn Spitzenunternehmer und Manager »demonstrieren, daß sie die Bindung an Recht und Gesetz offensichtlich für sich selber nicht mehr für maßgeblich halten«.
Forderungen nach Rücknahme von Gesetzesvorhaben erhob die Partei Die Linke. »Wenn es sich beim späten Erwachen der SPD-Datenschützer um mehr handeln soll als um Theaterdonner, dann müssen die Sozialdemokraten, allen voran Justizministerin Brigitte Zypries, nun die Notbremse ziehen und die aktuellen Überwachungsgesetze stoppen. Das heißt: Nicht nur Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung, sondern auch auf das neue Bundeskriminalamtsgesetz mit seinen Möglichkeiten der Computer-Onlinedurchsuchung und der Videobeobachtung von Privatwohnungen«, heißt es in einer Presseerklärung. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, nannte derartige Forderungen am Mittwoch eine »Überreaktion«.
Ein nur zehnminütiges Treffen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit Telekom-Chef Obermann am Montag wurde von der Opposition als Alibiveranstaltung kritisiert. Der von Schäuble gegenüber normalen Bürgern gepflegte Umgang unter dem Motto »Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser« gilt gegenüber Konzernchefs offenbar nicht. Dazu paßte Schäubles eindringliche Warnung vor »Schnellschüssen« am Mittwoch im Bundestag.